„Arbeit neu denken“ heißt ein Projekt, das Menschen ohne Arbeit mit Unternehmen zusammenbringen will. Im Mittelpunkt steht die gleichnamige Ausstellung mit Porträts des Freiburger Fotografen Felix Groteloh.
VON KATHRIN ERMERT
Beim ständigen Reden über Fachkräftemangel gerät gern außer Acht, dass es noch langzeitarbeitslose Menschen gibt. Vor allem jene, die schon lang aus dem Erwerbsleben draußen sind, tun sich schwer, auf den Arbeitsmarkt zurückzufinden und stoßen auf wenig Verständnis für ihre Situation. „Diese Menschen haben keine Lobby“, sagt Frank Dehring. Hier setzt das Projekt „Arbeit neu denken“ an, das seine Organisation, die Waldkircher Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (Wabe) gemeinsam mit dem Freiburger Verein Bildung für alle (BFA) 2020 initiiert hat und das baden-württembergische Wirtschaftsministerium finanziert.
Die Klientel der beiden Organisationen ist teilweise sehr unterschiedlich. Die WABE kümmert sich schwerpunktmäßig um Menschen über 50 Jahren mit mehreren sogenannten Arbeitsmarkthemmnissen. Die BFA setzt sich vorwiegend für Frauen mit Migrationshintergrund ein, die über Sprach- oder Integrationskurse zu ihnen kommen und ebenfalls längere Zeit arbeitslos sind. Beide eint das Ziel, Menschen in Arbeit zu bringen. Denn eine Beschäftigung unterstützt nicht nur die finanzielle Unabhängigkeit, sondern ermöglicht auch soziale Teilhabe und fördert den Selbstwert der Menschen. Umgekehrt geht eine lange Arbeitslosigkeit regelmäßig mit gesundheitlichen Problemen wie psychischen oder Suchterkrankungen einher.
„Die Menschen haben einen so schweren Rucksack auf, dass sie manchmal morgens nicht aufstehen können. Es kostet sie Überwindung, in die Öffentlichkeit zu gehen.“
Veit Cornelis, Bildung für Alle e.v.
Das Projekt „Arbeit neu denken“ soll diese Lebensbedingungen und Schwierigkeiten zeigen, erklärt BFA-Geschäftsführer Veit Cornelis. „Die Menschen haben einen so schweren Rucksack auf, dass sie manchmal morgens nicht aufstehen können. Es kostet sie Überwindung, in die Öffentlichkeit zu gehen.“ 30 ihrer Schützlinge haben es dennoch getan. Sie sind in Felix Grotelohs Fotostudio gegangen, haben sich vor seine Kamera gestellt und ihn Porträts machen lassen, von denen wir auf den folgenden Seiten einige zeigen. Sie sind Teil einer Foto- und Audioinstallation, die die Geschichten der Menschen erzählt. Sie war im Juli im Freiburger Quartier Unterlinden ausgestellt und wartet auf weitere Möglichkeiten, um sich Arbeitgebern präsentieren zu können. „Die Ausstellung soll dort hin, wo die Arbeit ist – zu den Unternehmen“, betont Dehring.
Denn deren Aufmerksamkeit ist das Ziel des Projekts. Es soll Begegnungen schaffen, idealweiser Annäherungen über Arbeitserprobungen. „Das funktioniert nur in kleinen Schritten“, mahnt Dehring. „Es ist ein Prozess. Man braucht das Mindset, Zeit und Geduld.“ Die Organisatoren suchen Unternehmen, die das verstehen. Und sie begleiten den Prozess des Kennenlernens, unterstützen die Arbeitssuchenden und stehen den Unternehmen als Ansprechpartner zur Verfügung. Große Unternehmen haben eigene Personalabteilungen, die sich um diverse Teams kümmern. Kleine haben das nicht, bieten aber oft mit ihrer familiären Struktur die bessere Voraussetzung, dass es gelingt.
In einigen Fällen ist das schon geglückt. Eine junge Frau absolviert gerade eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Eine andere hat aufgrund des Bewerbungsfotos und der Bewerbungsmappe, die zu erstellen auch Teil des Projekts ist, eine Stelle gefunden. Ein Mann über 50 arbeitet jetzt als Elektroniker. Aber die Erfolgsgeschichten seien bislang Einzelfälle, sagt Cornelis: „Die Mehrzahl der Menschen brauchen eine hohe Frustrationstoleranz.“ Doch Dehring und Cornelis bleiben dran. Im Herbst wollen sie die dritte Fotosession mit Felix Groteloh starten. Denn sie wissen, dass der Arbeitsmarkt neue Ideen braucht, und die Unternehmen auch für Bewerber mit ungewöhnlichen Biografien offener werde. „Mit dem Projekt sind wir Begleiter der Transformation auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Cornelis.
„Ich war Grundschullehrerin und wollte hier in Deutschland arbeiten, aber man braucht ein C2-Sprachniveau. Es ist ein langer Weg. Sie nehmen dich erst, wenn es keine andere Wahl gibt. Sie sind skeptisch über meine Herkunft, meine Kultur und meine Religion. Ich trage ein Kopftuch und habe zweimal genau deswegen eine Ablehnung bekommen.“
„Ich bin chronisch krank, viele Betrieb nehmen mich nicht. Hier werde ich genommen, wie ich bin.“
„Ich habe im Irak gearbeitet und viele Jahre Erfahrung. Die deutsche Sprache ist sehr schwer. Es fiel mir sehr schwer, Deutsch zu lernen. Ich hatte gesundheitliche Probleme. Ich kann mich beim Lernen nicht konzentrieren, ich bekomme schnell Kopfschmerzen. Ich habe zu viel im Kopf. Jetzt geht es mir besser und ich arbeite mittlerweile.“