Mit Mini-Anlagen für den Balkon, die Terrasse oder den Garten können Mieter Solarstrom für den Eigenbedarf nutzen. Die kleinen Module sind gefragt – bei der Umsetzung darf man zum Guerilla werden.
VON ANNA-LENA GRÖNER
Wer auf eigene Faust im Internet zu Mini-Photovoltaik-Anlagen (auch Balkonsolar- oder Plug-In-PV-Anlagen genannt) recherchiert, merkt schnell, dass sich hier ein attraktiver Markt auftut: Modul-Anbieter, Netzbetreiber, Elektrotechniker und Beratungsagenturen informieren über die neue Möglichkeit der eigenen und vor allem nachhaltigen Stromgewinnung.
Jeder möchte etwas vom Kuchen abhaben. Und das bremst das eigentlich so simple Vorgehen häufig aus. Die Netz-Informationen rund um das Thema Plug-In-PV-Anlage sind nicht ganz eindeutig. Sie gehen in zwei unterschiedliche Richtungen, die den interessierten Verbraucher eher verunsichern als in seiner Anpacken-Euphorie zu bestärken.
Zurück bleiben mehr Fragen als Antworten: Darf ich meine Balkonsolaranlage wirklich selbst aufbauen und anschließen? Muss ich bürokratische Hürden nehmen, da sonst Ärger droht? Erst einmal klingt das Versprechen der kleinen PV-Anlagen mit maximal 600 Watt so simpel wie gut: Stecker rein und der Strom fließt.
Kühlschrank, W-Lan-Router und andere Elektro-Geräte werden direkt mit sauberer Energie versorgt. Lediglich der Vermieter sollte vor Anbringung des etwa ein bis zwei Quadratmeter großen Solarmoduls um Erlaubnis gefragt werden. Bohren an der Hausfassade ist nicht notwendig, die Module werden durch eine entsprechende Vorrichtung einfach an das Balkongeländer gehängt oder mit einem Gestell im Garten oder auf der Terrasse aufgestellt.
Ein einfacher Schritt, mit dem viele Mieterinnen und Mieter die Energiewende vor Ort vorantreiben können. Nun zum sich abzeichnenden „Aber“: zu dieser einfachen „Stecker rein und gut“-Variante gehört nach Ansicht von Netzbetreibern und dem Verband der Elektrotechnik und Informationstechnik (VDE) ein Anschluss nach Norm. Die Rede ist sogar von Bußgeldern, die drohen könnten.
Um die Kleinst-Watt-Anlage regelkonform einzurichten, sei demnach eine Anmeldung beim Netzbetreiber, die Anbringung der Anlage durch einen Elektroinstallateur sowie die Registrierung bei der Bundesnetzagentur zwingend notwendig. Am Ende ist das beinahe die gleiche bürokratische Hürde, wie bei einer großen Dach-PV-Anlage. Bis alle Anträge genehmigt sind und der Strom endlich fließt, können Tage oder sogar Wochen vergehen.
Auf der Website des Verbands VDE heißt es: „Häufig gehen bei VDE Fragen ein, ob Mini-PV-Anlagen bis zu einer Grenze von 600 Watt oder sogar 800 Watt angemeldet werden müssen, weil sie als Stromerzeugungsanlagen mit dieser Leistung angeblich als nicht signifikant gelten würden. Das ist falsch! Hierbei handelt es sich noch immer um einen weit verbreiteten Irrtum.“
Bei genauer Recherche zeigt sich jedoch: falsch liegt der VDE. Denn was der Verband empfiehlt, ist nicht Gesetz. Hingegen besagt die EU-Verordnung zum „Netzkodex der Netzanschlussbestimmungen für Stromerzeuger“, dass die Signifikanz bei Anlagen unter anderem erst bei einer Maximalkapazität von mindestens 800 Watt beginnt. Genauso wie die Meldepflicht bei der Bundesnetzagentur, die auf ihrer Website bekannt gibt: „Von den Mitteilungspflichten ausgenommen ist die Eigenversorgung mit Strom aus Stromerzeugungsanlagen mit einer installierten Leistung von höchstens 1 Kilowatt.“
Die Mini-Balkonanlagen für den Eigenstromverbrauch liegen meist bei einer Maximalleistung von rund 300 Watt und erzeugen, optimistisch geschätzt – bei der perfekten Sonneneinstrahlung und im perfekten Neigungswinkel – etwa 270 Kilowatt Strom im Jahr. Bei einem durchschnittlichen Kilowatt-Preis von aktuell 32 Cent gelingt durch eine Balkonsolaranlage eine Ersparnis von knapp 84 Euro im Jahr. Das ist nicht viel, aber sauber.
Tatsächlich besteht eine Bußgeld-Gefahr also nur, wenn Mini-Anlagennutzer Strom ins Netz einspeisen und der uralte Stromzähler rückwärts läuft. Bei der minimalen Stromerzeugung der 300-Watt-Anlagen beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Um ganz sicher zu gehen, kann der alte Zähler einfach ausgetauscht werden, kostenlos, dazu sind die Netzbetreiber inzwischen verpflichtet.
Ein kleiner Schritt mit Wirkung
„Einfach machen“, empfehlen daher auch zwei der Gründer des jungen Freiburger Vereins „Balkonsolar“, Thomas Hertle und Sebastian Müller. Seit wenigen Wochen erst berät ihr Verein interessierte Mini-PV-Kunden. Auf ihrer Website (www.balkon.solar) zeigen sie ganz klar die Umsetzungsmöglichkeiten zum kleinen Solarglück auf: die Guerilla-Variante und die normkonforme.
„Am Ende muss der Konsument entscheiden“, sagt Müller und betont, dass der Guerillaweg nichts Illegales sei. „Es passiert einem nichts, außer dass man Strom spart.“ Eine Beratung vorab sei jedoch nie verkehrt, um mögliche Fördermöglichkeiten zu besprechen oder einen kostenlosen Wechsel des Zählers rechtzeitig anzufragen. „Auch wer keine Außensteckdose besitze, würde guttun, sich diese von einem Elektrotechniker anschließen zu lassen“, so Sebastian Müller.
Die Stadt Freiburg fördert seit 2019 Mini-PV-Anlagen mit ihrem Programm „Klimafreundlich Wohnen“ mit 200 Euro. Über 100 Module wurden bisher unterstützt, eine CO2-Einsparung von rund 23 Tonnen. „Die Förderung ist eine großzügige Maßnahme, da sich die Kosten der gesamten Balkonsolaranlage auf etwa 400 Euro belaufen“, sagt Thomas Hertle von Balkonsolar.
Er selbst hat auf dem Dach seiner Mietwohnung im Stadtteil Waldsee seit Frühjahr eine Mini-PV-Anlage angebracht und sowohl die Förderung der Stadt als auch die damit verbundene Beratung durch die Energieagentur wahrgenommen. „Mit einem nachgerüsteten Strommessgerät können wir seit April den Stromertrag beobachten“, sagt Hertle. „Rund 80 Kilowattstunden haben wir acht Bewohner in knapp fünf Monaten überwiegend selbst im Haus verbraucht. Unsere beiden Kühlschränke sind dazu tagsüber im Wechsel angehängt, um eine möglichst gleichmäßige Grundlast zu gewährleisten.“
Mit ihrem Verein „Balkonsolar“ möchten Hertle und Müller möglichst Vielen die Mini-PV-Anlagen schmackhaft machen und die Vorteile aufzeigen: Neben Strom und Geld werden etwa 150 Kilogramm CO2 eingespart. Um die Balkonsolar-Mission voranzutreiben und Interessierte zu überzeugen, bietet ihr Verein auch Vor-Ort-Besichtigungen der eigenen Anlagen und Do-it-yourself- Workshops für Solar-Selbstbauer an. In Zukunft sollen außerdem ein bis zwei Verleihanlagen zur Verfügung stehen. Die Balkon-Pioniere machen es einfach.