In der deutschen Mülltrennungs-Hauptstadt Freiburg gibt es kein städtisches Angebot gegen die Verschwendung von Lebensmitteln in Restaurants – die Aufgabe liegt bei lokalen Restaurants oder globalen Apps.
VON MAXIMILIAN HESS
Lebensmittelverschwendung ist in einer von Nachhaltigkeitsdebatten geprägten Gegenwart eines der großen Themen. Die Diskussion um Wegwerfware in Supermärkten erfährt durch Aktivismus wie “Containern” und die Berichterstattung dazu zeitweise Aufmerksamkeit. Ressourcenschonung in Restaurants hingegen ist selten im Fokus. Dazu trägt auch die Corona-Pandemie bei. In Zeiten, in denen Hygiene einen hohen Stellenwert innehat, scheinen Konzepte wie „Resteverwertung“ eher fern. Dabei geht es im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung um viel mehr als nur um den Umgang mit übrig gebliebenem Essen.
So richtig im Fokus war das Thema Lebensmittelverschwendung in Freiburg zuletzt 2017. Damals sorgten Studenten, die von zurückgegebenen Mensatellern die Reste essen („Bänderer“) für Aufregung. Ein radikaler, wenn nicht ekliger Ansatz, der aber Debatten um Lebensmittelverschwendung in Freiburg angeregt hatte. Heute ist das Bändern verboten. Und auch in Restaurants stand es nie zur Debatte, dass zurückgehende, halbvolle Teller etwas anderes als Restmüll sein könnten.
Einen für Restaurants praktikablen Weg, gerade am Ende des Tages Essensreste noch unters Volk zu bringen, bietet die App „too good to go“. Das Start-up aus Dänemark wurde 2015 gegründet und lässt Restaurants am Ende ihrer Öffnungszeiten vergünstigte „Restepakete“ über die App zu verkaufen. Die Kunden nehmen, anders als bei regulären Abhol-, oder Lieferdiensten, was sie kriegen. Das Angebot ist dabei begrenzt, gerade in Freiburg wird die App wenig genutzt. In der Innenstadt gibt es nur ein halbes Dutzend Anbieter, fast alle gehören zu großen Franchise-Ketten. Wenn man Gastronomen in Freiburg danach fragt, scheint es, als fiele die App individuellen Nachhaltigkeitskonzepten der hiesigen Gastronomie zum Opfer.
Zwischen radikalen Ansätzen aus dem Studi-Milieu und verhältnismäßig fruchtlosen Versuchen von Start-ups wird klar, dass es kein stadtweites Konzept für Nachhaltigkeitskonzepte in Restaurants gibt. Das heißt aber nicht, dass die Gastronomen planlos sind. Ein gutes Beispiel, wie nachhaltige Gastronomie gehen kann, liefert zum Beispiel das Restaurant Genusswerkstatt Freiburg. Deren Chefin, Floris Suchant, wurde in der Halde auf dem Schauinsland ausgebildet und war lange Küchenchefin im Caféhaus.
Zusammen mit ihrem Kollegen aus Caféhaus-Zeiten, Jonas Hartmann, betreibt sie seit 10 Jahren die Genusswerkstatt. Bei ihnen beginnt der Kampf gegen Verschwendung schon im Einkauf, erzählt Suchant:
„Wir bestellen alle Trockenwaren, also Mehl, Reis und Linsen in großen Einheiten, so dass weniger Verpackungsmüll anfällt.“
Floris Suchant, GEnusswerkstatt Freiburg
Der Blick darauf, wie vorhandene Ressourcen ideal genutzt werden können, endet in der Genusswerkstatt nicht in der Küche, sondern beginnt dort erst. „Wir kalkulieren beim Mittagstisch so, dass immer nur ein kleiner Rest bleibt. Und wenn dann beispielsweise der Reis nicht komplett wegkommt, dann machen wir damit am nächsten Tag Bratlinge. Wir versuchen, keine Reste entstehen zu lassen.“ erzählt Suchant. Das hieße natürlich nicht, dass Lebensmittel, die nicht mehr gut seien, weiterverarbeitet werden würden. Aber mit guter Dosierung und sinnvoller Weiterverwertung ließe sich sehr viel Müll vermeiden. Auch die Portionsgröße sei eine wichtige Stellschraube, an der man drehen könne, erzählt Suchant: „Wir achten darauf, ob und wieviel Reste zurückkommen und passen unsere Portionsgrößen entsprechend an. Aber natürlich geht bei uns niemand hungrig. Die, die größeren Hunger haben, bestellen einfach die größere Portion.” Diesen Ansatz gibt es in der lokalen Gastronomie öfter.
Ähnlich läuft es auch im Oberwiehremer-Restaurant-Oldie Omas Küche. Der neue Küchenchef Stefan Koch war zuvor im Kulinarium in Emmendingen und hat auch schon Caterings im Ausland bestritten. Er sieht den Fokus auf Lebensmittelverschwendung als modernes Phänomen.
„Losgetreten hat das Fridays For Future. Lebensmittelverschwendung ist ja auch eine Nachhaltigkeits-Sache. Man sieht das zum Beispiel an der Debatte um das Mindesthaltbarkeitsdatum.”
STefan Koch, Küchenchef Omas Küche In Freiburg
Und tatsächlich geht es bei Lebensmittelverschwendung auch um ökonomische Fragen. Schließlich gehen bei verschwenderischem Arbeiten teure Ressourcen verloren. „Man muss seine Mitarbeiter darauf einschwören. Wenn in der Küche Stress ist, werden Köche manchmal nachlässig.“
Dabei sah die Situation, gerade in größeren Küchen, lange anders aus. Da wurde vor allem in den besseren Restaurants keine sonderlich große Aufmerksamkeit auf Ressourcenmanagement gelegt. Das verändert sich in der Breite, aber auch in der Spitze. In Freiburg gibt es an verschiedenen Orten das Pop-Up-Restaurant Hawara von Yannik Spielmann und Nicolai Heuer, eine der In-Adressen der Kulinarik. Hier wird „from nose to tail“, vom Kopf bis zum Schwanz, großgeschrieben. „From nose to tail“ ist als Küchenidee seit 1999 ein Thema und beschreibt die Nutzung des ganzen Tieres anstatt nur der klassischen Filetstücke.
Egal ob durch Fridays For Future oder als selling point gehobener Küche: Der Kampf um die Lebensmittelverschwendung handelt von Werbung, Moral und Ökonomie. Weggeworfene Lebensmittel zeugen von ineffizienter Küche, mangelnder Kreativität, schlechtem Portionsmanagement und zuletzt oft auch von mangelndem Umweltbewusstsein. Das große Problem an der Lebensmittelverschwendung in Restaurants ist der Spagat zwischen Hygiene und Nachhaltigkeit, der jeden Tag in unzähligen Restaurants bewältigt werden muss.
Der Gesetzgeber hat restriktiv wenig Handlungsspielraum, um Verschwendung einzudämmen, zumindest mit Blick auf die Restaurants. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft versucht außerhalb von Gesetzgebung Wege für mehr Nachhaltigkeit zu finden. Mit „Zu gut für die Tonne“ hat es einen Wettbewerb ins Leben gerufen, in dem besonders kreative Wege gegen Lebensmittelverschwendung prämiert und gefördert werden. Mehr kann der Staat in Bezug auf Restaurantküchen nicht tun.
Bei Zulieferern sieht das anders aus: Die wieder neu aufgekommene Diskussion um Sinn und Unsinn des Mindesthaltbarkeitsdatums legt den Blick auf ungenutzte Potenziale. Denn, und das muss bei all den Konzepten und guten Ideen eben auch gesehen werden: Noch werden rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel in Deutschland jedes Jahr weggeworfen.