Vieles wird rar, jetzt auch Papier. Mitte Oktober 2021 hat das Thema die breite Öffentlichkeit erreicht, als einige Verlage anlässlich des Beginns der Frankfurter Buchmesse Alarm schlugen. Buchnachdrucke könnten nicht gewährleistet werden, das Weihnachtsgeschäft sei gefährdet. Wie betrifft der Papiermangel Unternehmen in der Region?
VON KATHRIN ERMERT
Eine gute Nachricht vorweg: Unser Papier für die kommenden Monate ist gesichert, netzwerk südbaden kann ganz normal erscheinen. Aber warum wird Papier gerade knapp? Dafür werden mehrere Gründe genannt. Zum einen hatte sich der Markt in den vergangenen Jahrzehnten stark konzentriert. Es gibt nur noch wenige große Hersteller, und die haben in den zurückliegenden Jahren zunehmend auf Verpackungspapier, also Karton und Pappe, umgestellt, weil die Nachfrage hier gestiegen ist, während sie bei grafischen Papieren, die bedruckt oder beschrieben werden, seit Jahren abnahm.
Die Pandemie hatte diese Tendenz 2020 noch deutlich verstärkt. Für die ersten acht Monate dieses Jahres meldet der Verband der Papierindustrie allerdings eine um neun Prozent gestiegene Produktion grafischer Papiere. Ein Grund dafür: Printmedien brauchen mehr Papier, weil das Anzeigenvolumen nach den Coronaeinbrüchen wieder steigt. Dazu kommt, dass die Rohstoffe, aus denen grafische Papiere entstehen, knapp sind. Es gibt kaum Altpapier, weil während der Pandemie weniger angefallen ist. Und China saugt große Mengen der weltweiten Zellstoffproduktion für den eigenen Bedarf ab.
Koehler Paper von Engpässen im globalen Lieferverkehr betroffen
Knapp sind nicht nur die Rohstoffe, sondern auch die Kapazitäten beim Transport. So schildert es Klaus Krieg, Bereichsleiter Supply Chain Management bei Koehler Paper (2500 Beschäftigte, 769 Millionen Euro Umsatz) mit Hauptsitz in Oberkirch. Die Gruppe ist, wie der Papiermarkt insgesamt, international ausgerichtet. 70 Prozent der Produktion gehen in den Export. An den vier Produktionsstandorten in Oberkirch, Kehl, Weisenbach (Kreis Rastatt) und im thüringischen Greiz fertigt Koehler Spezialpapiere. Vor allem Thermopapier, das für Kassenbons, Tickets oder Etiketten verwendet wird. Alle Kassenzettel, die seit Kurzem bläulich und seither nachhaltig, weil recycelbar sind, stammen von Koehler. Eine wachsende Produktgruppe sind zudem flexible Papierverpackungen.
Zum Sortiment von Koehler gehören zwar auch grafische Papiere, allerdings nur in relativ geringen Mengen und nicht für Zeitschriften, Zeitungen oder Bücher, sondern für spezielle Feinpapiere sowie für Ordner, Mappen und auch hochwertige Verpackungen. Insofern spürt die Gruppe die stark steigende Papiernachfrage weniger. 2020 war der Umsatz wie in der ganzen Brache pandemiebedingt gesunken, bei Koehler um fast zwölf Prozent. Zu Zahlen des laufenden Geschäftsjahrs will Stöckle sich nicht äußern. Nur so viel: Man spüre 2021 schon eine Erholung von der Coronasituation.
Für gewöhnlich haben grafische Standardpapiere circa 20 Rohstoffe, Spezialpapiere dagegen benötigen deutlich mehr und aufwendigere. „Das sind komplexe Rezepturen“, erklärt Krieg. Da achte man auf einen entsprechenden Lagerbestand, der einige Monate vorhält. Deshalb sei Koehler Paper – das zwar gemessen an der Absatzmenge (500.000 Tonnen jährlich) zu den mittleren, in seinem Segment aber zu den größeren Herstellern zähle – weniger von Engpässen betroffen als manch anderer Papierhersteller.
Koehler verarbeitet an zwei Standorten auch Altpapier, gemessen am Gesamtbedarf fällt diese Menge aber nicht sehr ins Gewicht. Der mengenmäßig wichtigste Rohstoff ist Zellulose aus kurzen Holzfasern, vor allem von Eukalyptusbäumen, und die bezieht das Unternehmen aus Südamerika sowie von der iberischen Halbinsel. In Deutschland gibt es kaum mehr Zellulosehersteller. Weil sie meist nicht in Containern transportiert wird, ist Zellulose laut Krieg weniger von den Engpässen in den internationalen Lieferketten betroffen. „Wir haben genügend Zellulose“, sagte der Koehler-Einkaufschef Ende Oktober im Videointerview.
Anfang des Jahres habe es schon eine Knappheit bei Zellulose gegeben, weil China da viel gekauft hätte. Das habe sich aber wieder beruhigt.
„Wir hatten keinen einzigen Tag Stillstand unserer Produktionslinien durch Rohstoffmangel.“
Klaus Krieg, Bereichsleiter Supply Chain Management bei Koehler Paper
Das heißt allerdings nicht, dass bei Koehler immer alles vorhanden und pünktlich war. Engpässe gab es beispielsweise mal bei einem Bindemittel, das ein großer Chemiekonzern herstellt, und Lieferungen verzögerten sich. „Wir haben Maschinen anders belegt und Produktionsreihenfolgen so geändert, dass kein Stillstand entsteht“, berichtet Krieg. Und natürlich wirkt sich die schwierige Verfügbarkeit der Rohstoffe auf den Preis aus. Die „deutlichen Kostensteigerungen“, übrigens nicht nur bei den Rohstoffen, sondern auch bei der Energie, müsse man weitergeben.
Hohe Papierpreise belasten die Druckereien in der Region
Höhere Preise: Davon sind derzeit alle betroffen, die Papier verarbeiten. Für viele ist das Thema allerdings auch pikant. Der zur BZ-Medien-Gruppe gehörende Druckdienstleister Freiburger Druck GmbH & Co. KG beispielsweise möchte sich dazu nicht äußern. Auch die Offenburger Großdruckerei Burda Druck – laut eigenen Angaben eines der leistungsstärksten und modernsten Druckunternehmen Europas mit 780 Mitarbeitern, davon 360 in Offenburg, und rund 400 Millionen gedruckten Seiten täglich – bittet um Verständnis, dass man nicht ins Detail gehen wolle. Sie schickt stattdessen folgendes Statement von Ulrich Dockhorn, Head of Print and Raw Materials Burda Procurement:
„Die Papierbeschaffung gestaltet sich aufgrund der branchenübergreifenden Verwerfungen und der explodierten Rohstoffkosten extrem schwierig.“
Ulrich Dockhorn, Head of Print and Raw Materials Burda Procurement
Zwar sei Burda bei seinen Lieferanten aus der Papierindustrie als solvent und zuverlässig bekannt, das „klare Bekenntnis zum Druck“ ein wichtiges Kriterium, das durch die Erweiterung des Druckzentrums in Offenburg untermauert werde. Die Gruppe investiert aktuell rund 30 Millionen in einen 13.000 Quadratmeter großen Erweiterungsbau am Offenburger Güterbahnhof. Dennoch geht Dockhorn davon aus, dass „die Probleme mit der mangelnden Verfügbarkeit von Pressepapieren uns im Jahr 2022 weiter begleiten werden“.
Etwas auskunftsfreudiger zeigt sich Jürgen Hofmann, Inhaber der gleichnamigen Emmendinger Buch- und Offsetdruckerei, die mit rund 30 Mitarbeitern Magazine wie netzwerk südbaden, Kunstbände, Kalender, Broschüren sowie Kataloge mit bis zu 600 Seiten und einer Auflage von mehreren 100.000 Exemplaren druckt. Der Firmenchef berichtet von Papierpreissteigerungen zwischen 25 und 35 Prozent gegenüber 2019 beziehungsweise von gut 40 Prozent gegenüber dem Jahresbeginn 2021, als der Papierpreis ein Tal erreicht hatte.
„Zum Teil warten wir Monate aufs Papier.“
Jürgen Hofmann, Hofmann Druck in Emmendingen
Hofmann kauft bei mehreren Großhändlern, vor allem zwei Hauptlieferanten ein und bemerkt deutlich längere Lieferzeiten. „Zum Teil warten wir Monate aufs Papier“, sagt er. Die Folge? Der Platz wird langsam knapp, weil Hofmann für Groß- und Stammkunden mit regelmäßigen Aufträgen das Papier einlagert. Für netzwerk südbaden beispielsweise sei das Papier bis zum zweiten Quartal 2022 vorrätig.
Dass er die gewünschten Mengen bekommt, ist allerdings nicht selbstverständlich. „Wir haben bei Lieferanten einen sehr guten Ruf, weil wir immer solide gewirtschaftet haben und dadurch auch in schlechten Zeiten, wie während Corona, ein zuverlässiger liquider Partner waren “, erklärt Hofmann. Deshalb musste er auch noch keinen einzigen Auftrag ablehnen. Man habe immer eine Lösung gefunden, etwa ein anderes, aber ähnliches gleichwertiges Papier.