Wenn es um die Wirtschaft in Waldkirch geht, dominiert ein Name: Sick AG. Und das nicht nur, weil das Firmengelände direkt hinter dem Ortseingang liegt, wenn man von Freiburg nach Waldkirch fährt. Das Unternehmen bringt den Standort im Norden von Freiburg voran.
Von Daniela Frahm
Der Sensorhersteller ist mit rund 2500 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber in der mit 21.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt im Landkreis Emmendingen. „Manche behaupten, wenn Sick etwas möchte, dann wird das sofort erledigt“, sagt Oberbürgermeister Roman Götzmann, „das stimmt so nicht, aber natürlich bemühen wir uns um ein gutes Miteinander mit dem größten Gewerbesteuerzahler der Stadt.“
Und der investiert nicht nur in die Erweiterung seines Unternehmens, das weltweit 8000 Mitarbeiter beschäftigt, sondern auch in die Stadt. Kürzlich wurde das Gisela-Sick-Bildungshaus eingeweiht, in dem Schule und Wirtschaft miteinander verbunden werden sollen. Untergebracht sind darin Schulungsräume für die Auszubildenden der Sick AG, eine Mensa, die alle Schüler der benachbarten Schulen versorgt, und die städtische Musikschule. Bezahlt wurden die 15,5 Millionen Euro Bausumme von der fast 95-jährigen Stifterin und Waldkircher Ehrenbürgerin Gisela Sick, die auch die Mietkosten für die Musikschule übernimmt. Sick-Vorstand Martin Krämer nannte es „ein einzigartiges Projekt in der Region und darüber hinaus“.
Götzmann ist „stolz auf den größten Industriebetrieb Südbadens“, weil er weiterhin lokal verbunden und kein anonymer Konzern sei. Sick trägt neben vielen anderen Firmen dazu bei, dass es Waldkirch gut geht. Knapp 9000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind gemessen an der Einwohnerzahl ein sehr hoher Wert. Die Steuerkraft ist von 25,7 auf fast 30 Millionen Euro gestiegen und damit in einem Jahr um 16,5 Prozent. Götzmann nennt als Gründe die insgesamt gestiegene Gewerbesteuer, die geringe Arbeitslosigkeit in Waldkirch von 2,5 Prozent, und dass immer mehr Menschen besser bezahlte Jobs hätten.
In Waldkirch gibt es einige Unternehmen, die über die Region hinaus bekannt sind, manche sogar weltweit. Neben Sick zählen dazu beispielsweise die ebenfalls als Familienunternehmen gegründeten Mack Rides, die Freizeitparkattraktionen produzieren und aus denen der Europa-Park hervorgegangen ist, die August Faller KG als Marktführer für pharmazeutische Sekundärpackmittel und die im Laden- und Innenausbau tätige Firma Ganter Interior. Dazu kommen noch die Hummel AG im Bereich Elektrotechnik und Kautex Textron in der Kunststoffverarbeitung. Der traditionsreiche Orgelbau wird noch von den Firmen Paul Fleck Söhne, Jäger & Brommer, Achim Schneider und Wolfram Stützle betrieben. Auch die Edelsteinschleiferei reicht bis ins Mittelalter zurück und ist noch durch die Firma Wintermantel vertreten. Von der Textilindustrie, die während der industriellen Revolution im gesamten Elztal vertreten war, ist allerdings nur noch Gütermann im benachbarten Gutach übrig geblieben. Mit rund 400 Mitarbeitern gehört auch die Stadtverwaltung zu den größeren Arbeitgebern im Ort.
Das rund zwölf Kilometer von der Autobahn entfernt liegende und über die Elztalbahn ans Bahnnetz angeschlossene Waldkirch hat insgesamt rund 107 Hektar Gewerbefläche. „Wir haben aber keine nennenswerten freien Flächen mehr“, sagt Götzmann, der im Juni 2015 als Nachfolger des langjährigen Oberbürgermeisters Richard Leibinger gewählt wurde. Ein kleineres neue Gewerbegebiet an der B294-Abfahrt Waldkirch-Ost ist kurz vor der Fertigstellung, aber auch schon an zwei Firmen vergeben. Mehr Platz gibt es dort nicht. „Für uns geht es um die Bestandspflege und darum, gute Bedingungen zu schaffen“, sagt Götzmann.
Dazu beitragen soll die „Offensive Standortmarketing Waldkirch“, die von der Verwaltung initiiert wurde. Um den Wirtschafts- und Einkaufsstandort und auch die touristische Destination attraktiver zu machen, wurden gemeinsam mit der Imakomm Akademie aus Stuttgart Entwicklungsschwerpunkte definiert und Maßnahmen erarbeitet. Die erste sichtbare ist das neue Besucher- und Parkleitsystem, in das knapp 120.000 Euro investiert wurden. Neue Schilder und Stelen weisen nicht nur auf die Parkplätze hin, sondern auch auf die Attraktionen wie das Elztalmuseum, die Kastelburg und den Schwarzwaldzoo, die auch in Englisch und Französisch beschrieben werden. Die Beschilderung für die Hotellerie und die Gastronomie soll noch überprüft und möglicherweise ebenfalls ersetzt werden, kündigte Wirtschaftförderin Melanie Gehl-Moser an. Die städtische Wirtschaftsförderung hat im Zuge der Standort-Offensive – auch personell – einen größeren Stellenwert bekommen.
Die Stadt startete zudem den „Wirtschaftsdialog“, eine Reihe von Informations- und Netzwerkveranstaltungen für Gewerbetreibende. Bei der Premiere wurde die umfangreiche Unternehmensbefragung vorgestellt, an der sich 104 von 300 angeschriebenen Betrieben beteiligt haben – mit einem für die Stadt erfreulichen Ergebnis. Denn der Großteil der Unternehmer ist mit den Bedingungen weitgehend zufrieden. Das bestätigt unter anderem Ganter Interior, nicht nur wegen seines attraktiven Firmensitzes im historischen „Kraftwerk“ im Stadtteil Kollnau. „Wir haben hier die regionale Nähe zu vielen guten Lieferanten und Subunternehmern, die ihr Handwerk auf höchstem Niveau ausüben und mit denen wir seit Jahren erfolgreich zusammenarbeiten“, erklärt Peter Fränsemeier, Marketing und PR-Leiter bei Ganter Interior. Außerdem sei der Standort attraktiv, habe eine gute Nahverkehrs-Anbindung an Freiburg und punkte durch die Lage im Dreiländereck.
Für eine gute und schnelle Anbindung an das weltweite Datennetz hat die Firma bereits selbst gesorgt. Für viele kleinere Unternehmen ist die mangelhafte Breitbandversorgung hingegen ein Problem, das war ein Ergebnis der Unternehmensbefragung. Da die Telekom nach Einschätzung der Stadt in dieser Hinsicht zu langsam ist, hat sie den Ausbau über die Tochtergesellschaft Stadtwerke selbst in die Hand genommen, die sich als Telekommunikationsanbieter angemeldet hat. „Das ist momentan sicherlich unser größtes Projekt, denn dafür haben wir einen mittleren bis höheren einstelligen Millionenbetrag in die Hand genommen und werden Glasfaserkabel bis in die Betriebe legen“, berichtet Götzmann, „im Mai 2018 wollen wir an den Start gehen und dann einer der modernsten Gewerbestandorte werden.“ Die Zusagen-Quote der Firmen liege jetzt schon bei 90 Prozent. „Wir haben richtig Traffic bei uns auf der Leitung und freuen uns darauf, eine größere Bandbreite zu bekommen“, sagt Dirk Burger, Geschäftsführer der Druckerei Burger und einer der künftigen Stadtwerke-Kunden, „einen eigenen Anschluss hätten wir uns nicht leisten können.“ Als 1999 die Stadtwerke das Stromnetz übernahmen, gehörten sie zu den Pionieren im liberalisierten Markt. Nachdem der Markt für Strom, Gas und Wasser stagniert, „wollen wir jetzt wieder ganz vorne dran sein“, erklärt der Oberbürgermeister.
Bei zwei weiteren Problemfeldern der Unternehmen kann die Stadt hingegen nur bedingt helfen. Das ist zum einen der in ganz Südbaden beklagte Fachkräftemangel und zum anderen der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, der ebenfalls dazu führt, dass es schwer ist, neue Arbeitskräfte zu gewinnen. Der Eigenbetrieb „Wohnungswirtschaft der Stadt Waldkirch“ (Wowi), der rund 600 Wohnungen verwaltet, kann dazu nur einen kleinen Teil beitragen. Insgesamt sind die Preise für Wohnungen und Häuser auch in Waldkirch deutlich angestiegen und wegen der Tallage gibt es kaum noch Flächen, die bebaut werden können. Derzeit entsteht das neue Baugebiet „Am Schänzle“, in dem bis Ende 2020 vier Mehrfamilienhäuser und 40 Einfamilienhäuser gebaut werden.
Ansonsten werde momentan vor allem nachverdichtet, sagt Götzmann, „aber wir werden auch neue Baugebiete ausweisen müssen“. Er hat dabei zwei Gebiete mit jeweils ein bis drei Hektar Fläche im Hinterkopf, für die er die Diskussion im Gemeinderat noch in diesem Jahr anstoßen will. „In Kollnau gibt es noch Entwicklungspotenzial“, erklärt der OB. Klar ist für ihn, dass es angesichts der knappen Flächen keine klassische Einfamilienhaus-Bebauung mehr geben kann: „Der Trend geht zum Geschosswohnungsbau, bis zu vierstöckig ist da drin.“ Der Druck sei sehr hoch, nicht nur von außen. Auch innerhalb der Stadt würden sich viele gerne verändern, wenn ihre Familien größer werden, aber sie haben dazu kaum Möglichkeiten.
Modernisierungsbedarf sieht Götzmann auch im Einzelhandel, der sich wie überall der Online-Konkurrenz erwehren muss. Es gebe derzeit zwar noch keine nennenswerten Leerstände, aber um sich für die Zukunft zu rüsten, müssten die Händler vielleicht mehr auf (Liefer-)Service setzen. Der Oberbürgermeister möchte der Werbegemeinschaft Waldkirch mit ihren rund 100 Mitgliedern deshalb gerne das Projekt Lokaso aus Siegen vorstellen. Dort wurde ein Webkaufhaus entwickelt, über das auch frische, gekühlte und tiefgekühlte Ware geliefert wird – eine Art regionaler Versandhändler. „Es wäre doch schön, wenn ich mittags in einem unserer Weingüter Wein bestelle und abends steht er schon auf dem Tisch“, blickt Götzmann in die Zukunft.
In Bezug auf die Mobilität wurde bereits ein innovatives und nachhaltiges Konzept im Elztal gestartet, mit der Mitfahrzentrale „Mobil im Tal“ auf der Basis der von SAP entwickelten App „TwoGo“, mit der Geld und Zeit gespart und die Umwelt weniger belastet werden soll. Auch die Sick AG und die August Faller KG beteiligen sich daran und wollen damit nicht nur ihren Standort und sich als Arbeitgeber stärken, sondern auch das soziale Netzwerk, das sich durch gemeinsame Fahrten und den dadurch entstehenden Austausch ergibt.
Im Tourismus wird im Elztal ebenfalls zusammen gearbeitet: Waldkirch wird von der ZweiTälerLand-Tourismus (ZTL) mit vermarktet. Allerdings ist die Stadt eher ein Ziel für Tagestouristen, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt nur bei knapp zwei Nächten. Während die Übernachtungszahlen im Elztal und Simonswäldertal im vergangenen Jahr gestiegen sind, sanken sie in Waldkirch um 2,3 Prozent. Die sieben Hotels und sechs Gasthöfe sind laut Götzmann durch die vielen Geschäftsreisenden aber immer gut belegt. In der Hotellerie sei eine Modernisierungstendenz feststellbar. Da ältere Betriebe ausscheiden würden, bleibe die Bettenzahl aber in etwa gleich. „Wir könnten vom Schwarzwaldtourismus sicherlich mehr profitieren, wenn wir mehr Übernachtungsmöglichkeiten hätten, aber auch hier haben wir das Platzproblem.“ Die Stadt setze deshalb vor allem darauf, noch mehr Tagestouristen anzulocken, auch Ausflügler aus der Region. Das gelingt unter anderem durch den 2008 eröffneten Baumkronenweg, der jedes Jahr tausende Besuchern anzieht.
Und es gibt auch immer wieder große Veranstaltungen, die nicht nur Gäste aus der Region in die Stadt bringen. Zu den bekanntesten gehört das internationale Orgelfest, das alle drei Jahre gefeiert wird, zuletzt im Juni dieses Jahres. Am 8. Oktober startet die Werbegemeinschaft beim verkaufsoffenen Sonntag eine neue Veranstaltung unter dem Titel „Kunst I Markt I Genuss“, bei dem in der Innenstadt Kunsthandwerker ihre Waren anbieten und Streetart-Künstler für Unterhaltung sorgen. Und 2018 soll dann gleich mehrfach gefeiert werden, wenn die Stadt Ausrichter der „Heimattage“ ist. Über 100 Veranstaltungen wird es über das Jahr verteilt geben. Der offizielle Auftakt ist am ersten Mai-Wochenende, an dem sich beim Baden-Württemberg-Tag auf einer Leistungsschau in der Innenstadt regionale und überregionale Firmen, Dienstleister, Tourismusverbände und Vereine präsentieren werden. Götzmann hofft, dass damit Waldkirch „als Ausflugs- und Aufenthaltsziel“ für sich werben kann.