Idyllisch gelegen an den Hängen der Schwarzwaldausläufer im Freiburger Dreisamtal befindet sich seit zehn Jahren ein United World College (UWC). Auf dem Gelände des barocken Kartäuserklosters pauken in dem Oberstufeninternat jedes Jahr rund 200 junge Menschen aus allen Teilen der Welt für ihr internationales Abitur.
Text: Antigone Kiefner • Fotos: Alex Dietrich
Seit Kurzem ist wieder Leben am Hang im Freiburger Osten gegenüber der Sportuni, denn am dortigen UWC Robert Bosch College (RBC) hat das Schuljahr begonnen. Viele Sprachen sind zu hören, neugierige Gesichter erkunden die Schulräume im Klostergebäude, die Bibliothek in der ehemaligen Kirche, das in den Hang gebaute Auditorium, das denkmalgeschützte Waschhaus und den alten Klostergarten. Mehr als 100 junge Menschen sind aus fast 70 Ländern angereist. Sie wurden am Flughafen abgeholt und haben die Wohnräume in den modernen Würfeln neben den historischen Gebäuden bezogen. Dort teilen sich immer vier verschiedene Nationen ein Zimmer, kochen zusammen, lernen voneinander. Gelebte Völkerverständigung im alltäglichen Tun – das ist ein Ziel des Oberstufeninternats. „Dialog und Frieden werden an unserer Schule vor allem als Haltung gelebt“, erklärt Pressesprecherin Julia Angstenberger. Jährliche Thementage zum interreligiösen Dialog unterstreichen diesen Bildungsauftrag. Rabbiner, islamische Theologen, Zen Buddhisten halten dazu Vorträge und Workshops und erweitern den interkulturellen Horizont.
Auch zur Stadt Freiburg hat das RBC in den vergangenen zehn Jahren Brücken gebaut. Die Schülerinnen und Schüler sind verpflichtet, sich außerhalb des Internats sozial zu engagieren – vom Nachhilfeunterricht über die Begleitung älterer Menschen in Pflegeheimen bis zum Verkauf selbstgemachter Marmelade für einen guten Zweck. Im Haus der Jugend übernehmen sie beispielsweise Bar- und Küchendienste oder backen Kuchen. Sie arbeiten für die Freiburger Tafel und das Foodsharing Café, kochen für Obdachlose, geben in Seniorenheimen Hilfestellungen rund um die digitale Welt, reinigen Stolpersteine oder übersetzen Biografien von NS-Verfolgten in viele Sprachen. Insgesamt bestehen 21 Kooperationen mit sozialen Einrichtungen in Freiburg.
Klimaschutz, Staatswald und Umweltbildung
Zudem steht die Nachhaltigkeit im Fokus der Schule, die CO2-neutral ist und als Ausgleichsmaßnahme forstwirtschaftliche Projekte in Marokko fördert. Doch aktiven Klimaschutz lernen die Schülerinnen und Schüler vor allem direkt vor Ort. So bewirtschaften sie seit Neuestem rund 20 Hektar Staatswald, den der Landesbetrieb Forst BW am Freiburger Hausberg Schauinsland zur Verfügung stellt. Ein deutschlandweit einzigartiges Projekt. Sie erhalten viel forstlichen Input, entscheiden mit und packen tatkräftig an: Junge Bäume pflanzen und kranke fällen, Nistkästen anbringen und säubern, Hochsitze bauen. „Durch diese Zusammenarbeit haben wir die Chance, Umweltbildung noch mehr in unseren Lehrplan zu integrieren und Umweltschutz ganz konkret und vor Ort zu realisieren“, sagt die neue Rektorin des RBC, Helen White. Die promovierte Meeresbiologin führt das RBC seit August dieses Jahres. Zuvor war sie stellvertretende Leiterin und hat die Schule in Freiburg zusammen mit Gründungsdirektor Laurence Nodder aufgebaut.
Das RBC ist gut vernetzt. Es kooperiert mit der lokalen und regionalen Nachhaltigkeitsszene, so etwa mit dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE, gleichermaßen wie mit dem internationalen Städtenetzwerk Local Governments for Sustainability, veranstaltet Workshops zu Solarenergie oder Müllverbrennung, organisiert ein Fahrradprogramm für eine nachhaltige Mobilität mit den Elektrizitätswerken Schönau. Es ist kein Wunder, dass viele Absolventen des RBC Environmental Governance, Meeresbiologie oder Wasserstofftechnologie studieren und damit den ökologischen Spirit der Schule weiter in die Gesellschaft tragen. Seit Kurzem sitzt Sophia Kilian im Freiburger Gemeinderat, die das RBC besucht hat, anschließend Sustainable Systems Engineering studierte, sich bei Fridays for Future engagiert, und – wie sie selber sagt – auch als Stadträtin für Klimaschutz eintreten will.
Finanziert von Land, Stiftungen und Spenden
Finanziert wird das UWC Robert Bosch College (RBC) aus öffentlichen und privaten Mitteln. Das Land Baden-Württemberg als größter Geldgeber unterstützt jährlich mit 2,5 Millionen Euro. Weitere größere Einnahmen stammen aus Spenden für Schülerstipendien in Höhe von rund 2,2 Millionen Euro sowie von der Robert Bosch Stiftung. Das hessische Medizintechnikunternehmen B. Braun, dessen Vorstandsvorsitzende Anna Maria Braun UWC-Absolventin ist, gehört zu den Top-Spendern. Bekannte Freiburger Förderer sind die Adelhausenstiftung, die Eugen-Martin-Stiftung und die Volker-Homann-Stiftung.
“Durch diese Zusammenarbeit haben wir die Chance, Umweltbildung noch mehr in unseren Lehrplan zu integrieren und Umweltschutz ganz konkret und vor Ort zu realisieren“
Helen White, Rektorin
Auch die Stiftung von Lidl-Gründer Dieter Schwarz aus Neckarsulm, die auf internationale Bildung und interkulturelle Verständigung setzt, engagiert sich. Sie finanziert Reise- und Unterkunftskosten, Verpflegung, Referentenhonorare und Exkursionen des jährlich stattfindenden Sommer-Camps „Liveable cities“. Dabei kommen 32 Schülerinnen und Schüler vieler Nationen für zwei Wochen nach Freiburg und Heilbronn, um sich dem Thema Nachhaltigkeit im Städtebau zu widmen. Wie gelangt ein Rollstuhlfahrer barrierefrei von A nach B? Was braucht es, damit sich alle Menschen in den Städten wohlfühlen und gut fortbewegen können? Was muss eine nachhaltige Stadtplanung beachten? Im Sommercamp entstehen Visionen der Städte von morgen. Weitere Think Tank Projekte des UWC – etwa mit der Haufe Group – sind in Planung.