Die alternative Lebensform im Tiny House ist in. Die kleinen Häuser sind keine Auswege aus der Wohnungsnot und teuren Mieten. Die Entscheidung für eine mobile Behausung ist weniger der finanziellen Not geschuldet, sondern motiviert vom Wunsch nach Weniger. Auch in der Region.
VON CHRISTINE WEIS
Wann ist ein Trend ein Trend? Dann, wenn sich viele Menschen für eine Sache begeistern, Internet-Plattformen, Social-Media-Gruppen, Vereine und Festivals entstehen; Bücher, Filme und Magazine erscheinen; Erklärvideos auf YouTube tausendfach geklickt werden. Wenn sich ein Wirtschaftszweig ausbildet und Tchibo Marketing im großen Stil macht.
So gesehen, ist das Tiny House ein Trend. Die Tiny-House-Bewegung kommt ursprünglich aus den USA und fußt auf Ideen der amerikanischen Architektin Sarah Susanka und dem kalifornischem Designer Jay Shafer. Beide propagierten schon in den 1990er Jahren eine minimalistische Wohnform als Gegenentwurf zu den übergroßen Häusern der Staaten. Sicherlich nicht nur aus Überzeugung zogen seit der Finanzkrise 2007 viele Amerikaner in mobile Bleiben in Trailer Parks.
Tiny House made in Südbaden
Heute ist die Tiny-House-Bewegung eine Strömung, in der Menschen unterwegs sind, die nachhaltig und konsumreduziert leben wollen. “Downsizing” nennt sich der Fachbegriff dafür. Seit einigen Jahren breiten sich die kleinen Behausungen auch in Deutschland aus. Laut SWR boomen die Minihäuser auf Rädern im Südwesten. Der Sender zeigt am 4. Februar die Doku „Tiny House Geschichten“ (danach abrufbar in der Mediathek). Darin werden die beiden Hersteller Johannes Mager aus Freiburg und Bastian Traub aus Bad Urach bei der Arbeit filmisch begleitet. Sie fertigen die kleinen Häuser nach Kundenwunsch.
Johannes Mager baut in seiner Tiny Home Factory in Kirchzarten seit 2017 die kleinen Heime, vier waren es im letzten Jahr. Viele wollen ihr Haus selber bauen. Für sie macht er die Planung und stellt das Material zusammen. Gerade ist er dabei, für die Bausätze Anleitungsvideos zu drehen. „Diese Wohnform trifft den Zeitgeist. Die Menschen wollen weniger Rohstoffe verbrauchen, alles Überflüssige weglassen und mit der Natur leben“, sagt der 38-Jährige. Ihm ist wichtig, dass auch die Bauweise dem entspricht. Er verwendet natürliche Materialien wie Holz und Dämmmaterial aus Schafwolle. Die Nachfrage nimmt stetig zu, mittlerweile hat sich der Schreinermeister ganz auf die Häuser im Kleinformat spezialisiert. Zulauf hat er auch von Firmen, die die mobilen Häuser als innovativen Messestand nutzen.
Inspiriert wurde Johannes Mager von Hanspeter Brunner: Der pensionierte Berufsschullehrer aus Freiburg war 2013 der erste in Deutschland, der sich sein Häuschen selbst baute. In seinem „Black Forest Tiny House“ lebt er auf acht Quadratmetern. Es geht ihm um Bescheidenheit, er konzentriert sich bewusst aufs Wesentliche und auf einen ökologischen Fußabdruck. Er sieht es kritisch, wenn Tiny Houses zu einer Art Lifestyle-Symbol werden und „alles an Komfort mit rein soll, von dem man denkt, man brauche es“, sagt Brunner.
Wohl der erste professionelle Produzent von Tiny Houses in Deutschland war Dieter Puhane aus Rheinau. 129 Häuser baute er seit 2015. 2020 hat er die Produktion an Benjamin Reith aus Appenweier übergeben. „Viele dachten anfangs, das Tiny House ist eine Eintagsfliege und haben mich belächelt. Heute ist die Nachfrage sehr groß“, sagt Puhane. Der Schreiner und Installateur vermietet drei Tiny Houses zum Probewohnen. Die Interessenten und Kunden kommen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus und Altersgruppen. Dabei geht es den Menschen nicht ums Geld, sondern um die Lebenseinstellung. Etwa 60.000 Euro kostet nach Puhanes Angaben ein Tiny House, das zwischen sechs und acht Metern lang und technisch gut zum dauerhaften Wohnen eingerichtet ist. Gerade plant er eine Tiny-House-Siedlung mit 15 Häusern in der Nähe von Raststatt.
Wenig Wohnraum – viele Vorschriften
Der Markt wächst und mit ihm die Anbieter. Puhane schätzt, dass es aktuell rund 70 Hersteller deutschlandweit gibt. Die Bauformen variieren. Die mobile Version wird direkt auf ein Fahrgestell gebaut und unterliegt mit ihren Maßen der Straßenverkehrsordnung und TÜV-Zulassung. Das Haus darf demnach 2,55 Meter breit und vier Meter hoch sein sowie maximal 3,5 Tonnen wiegen. Wird es als Wohnhaus auf einem Grundstück genutzt, greift zusätzlich das Baurecht und muss genehmigt werden. Auch wenn das Haus autark ist, gilt die Auflage, dass die Versorgungsanschlüsse vorhanden sind.
In Grenzach-Wyhlen wurde kürzlich die baurechtliche Möglichkeit für ein Tiny House geschaffen. Rheinfelden und Schliengen lehnten Anträge ab. In Löffingen entsteht demnächst die Ferienhaussiedlung „Tiny House Village“. Es werden sicherlich weitere Tiny-House-Siedlungen entstehen, da ist sich Dieter Puhane sicher, auch seien die Behörden und Kommunen immer offener gegenüber dieser alternativen Wohnform.