Wer über vier Jahrzehnte und mehr in der selben Firma arbeitet, weiß, wie sich maximale Beständigkeit anfühlt. Und kann zugleich viel darüber verraten, wie sich die Arbeitswelt verändert und wie man sich selbst neu erfindet.
TEXT: DANIEL RUDA
FOTOS: ALEXANDER DIETRICH
Diese sechs Arbeitnehmer in unserer Fotostrecke sind gekommen, um zu bleiben.
Erfahrung ist nur durch eines zu ersetzen: Mehr Erfahrung
Ulrich Thoma, Zahoransky AG Todtnau – Standort Freiburg, 61 Jahre alt, im Betrieb seit 46 Jahren:
Ausbildungsleiter und Sicherheitsfachkraft. Die Aufgaben, die Ulrich Thoma heute bekleidet, und die Art, wie er sie angeht: „Das wäre früher quasi undenkbar gewesen“. Azubis fasst er sprichwörtlich „mit Samthandschuhen an“ – als er selbst Mitte der Siebziger bei Zahoransky seine Ausbildung zum Energieelektroniker gemacht hat, ging es noch eher brachial zu. „Es hieß einfach: Mach!“, erinnert sich Thoma. „Andere Zeiten“, das gilt auch für das Thema Sicherheit. „Ein banales Beispiel: Früher hat niemand beim Drehen, Fräsen oder Bohren eine Sicherheitsbrille getragen“, in der Prioritätenliste war sowas vielleicht auf Platz zwölf. Heute achtet Thoma darauf. Der Umgang mit den Auszubildenden ist für ihn eine „Herausforderung ans Jungbleiben selbst“. Was er ihnen immer wieder mit auf den Weg gibt: „Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen, außer durch mehr Erfahrung“, und die kann man täglich sammeln.
Immer wieder fragen, um auf das Wissen der Alten zurückzugreifen
Markus Winterhalter, S. Siedle & Söhne Telefon- und Telegrafenwerke in Furtwangen, 58 Jahre alt, im Betrieb seit 40 Jahren:
„Ich liebe meinen Job, er erfüllt mich.“ Gedanken, die Firma zu wechseln, hatte Markus Winterhalter nie. Es wurde ja auch nicht eintönig. „Der Job“ bei Siedle, er wandelte sich immer wieder: Ausbildung zum „Nachrichtengerätemechaniker”, Leiter des Messebaus, Technischer Berater, seit Ende der Neunziger ist Winterhalter für die Produkt-Schulung von Mitarbeitern, Monteuren und Händlern weltweit verantwortlich. Hongkong, USA, Dubai, halb Europa: wenn nicht gerade Corona ist, reist er herum und erklärt die Kniffe von Türsprechanlagen, dem Hauptprodukt der Firma. „In Dubai sind die Leute nach einer Schulung mal aufgestanden und haben lange geklatscht, da war ich schon den Tränen nahe.“ Andere Kulturen kennenzulernen, es ist der schöne Nebeneffekt. Früher war er mit schwer ratterndem Dia-Projektor unterwegs, „ein Geschleppe und ein Riesenaufwand“, heute reichen Laptop und Beamer. Aktuell führt Winterhalter Regie bei Youtube-Tutorials, wieder was Neues. Jungen Kollegen rät er dasselbe wie Schulungsteilnehmern: „Fragen, fragen, immer wieder fragen und so auf das Wissen der Alten zurückgreifen.“
Fachwissen aufbauen? Am besten durch Wissbegier
Laura Krieg, Schwarzwald Elemente Lahr, 61 Jahre alt, im Betrieb seit 46 Jahren
„Ich war eigentlich immer die einzige Frau unter Männern“, ein Problem habe sie deswegen aber nie gehabt, wenn sie auf Baustellen unterwegs war. „Wegen meinem Fachwissen hat das immer gepasst“, sagt Laura Krieg. Als Abteilungsleiterin für Bauelemente kümmert sie sich um den Verkauf von Türen und wickelt Baustellen beim Schlüsselfertigbau ab. „Ich kann gar nicht glauben, dass ich schon so lange da bin“, sagt die gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau über ihre Betriebszugehörigkeit und erzählt vom Telex, mit dem sie noch gearbeitet hat – dem prähistorischen Vorgänger des Fax. „Das kann sich heute kein Mensch mehr vorstellen.“ Was früher nur für Wenige vorstellbar war: dass die zweifache Mutter keine typische Hausfrau war. „Ich habe immer Leben gebraucht“, und das habe ich mir auch durch die Arbeit geholt, die mir Spaß macht.“ Immer wissbegierig zu sein, rät sie jungen Leuten, dann baut sich Fachwissen mit der Zeit noch viel besser auf.“
Durchhalten gehört dazu
Norbert Maier, Welte Glaserei und Fensterbau in Freiburg, 56 Jahre alt, im Betrieb seit 40 Jahren
„Ja da gehen sie hin, die Jahre.“ 15 Jahre alt war Norbert Maier, als er bei Welte die Lehre zum Glaser und Fensterbauer begann. Diesen Doppeljob gibt es gar nicht mehr, nur noch entweder-oder. „Ich habe früher noch selber in der Werkstatt Holzfenster gebaut und sie später dann auf der Baustelle eingesetzt, das machen heute nur noch die wenigsten im Handwerk“, auch die Firma Welte hat sich inzwischen auf den Einbau spezialisiert. Maier koordiniert das Ganze als technisch-kaufmännischer Experte und Prokurist der 11-Mann-Firma. Auf der Baustelle ist Norbert “Maier mit ai“ nur noch selten. Und wenn, dann sicher nicht in luftiger Höhe. „Früher bin ich auf den Dachbalken herumspaziert, heute werde ich schon auf einer Haushaltsleiter unsicher.“ Sein Rat an jüngere Kollegen – sein Sohn, der ihm früher beim Arbeiten fasziniert zuschaute, ist einer davon: „Auch wenn es mal stressig ist: Durchhalten, das gehört dazu!“
Hinschauen, sich einbringen – und dann selbst verwirklichen
Andreas Mordhorst, Kundendienstleiter Mercedes PKW im Autohaus Schmolck in Emmendingen, 61 Jahre alt, im Betrieb seit 45 Jahren
Als Kundendienstleiter für die Mercedes-PKW-Sparte ist es heute seine große Aufgabe: Für Kundenbindung sorgen. „Da wird ein riesiger Aufwand betrieben, vor allem online“, sagt Andreas Mordhorst, früher kamen die Kunden einfach so und man hat ihnen geholfen. Die Umstellung von hand- geschriebenen Rechnungen hin zu einer EDV Ende der Achtziger war im Rückblick wohl eine der größten Veränderungen im Arbeitsalltag, „währenddes- sen geschieht das aber alles fließend“, bilanziert Mordhorst. Als Autoelektriker-Azubi begann er 1975 bei Schmolck, nach ein paar Jahren in der Werkstatt wechselte er in den Servicebereich, wo ein Techniker gebraucht wurde. Mordhorst kniete sich rein, hing eine Lehre zum Großhandelskaufmann dran, übernahm Stück für Stück mehr Verantwortung und trug seinen Teil zum Wachstum des Unternehmens auf heute 300 Mitarbeiter bei. „Richtig zuhören, schauen, sich einbringen und dann selbst verwirklichen“, das legt er jungen Kollegen und Kolleginnen ans Herz. „So habe ich es gelernt.”
Nicht immer gleich alles persönlich nehmen
Ernst Sillmann, VAG Freiburg, 63 Jahre alt, im Betrieb seit 40 Jahren
Bei aller Routine, und die hat er ja zur Genüge, ohne Konzentration geht’s nicht, erzählt Ernst Sillmann. Seit 1980 fährt er Busse und Straßenbahnen durch Freiburg, immer vorausschauend: „Mit der Straßenbahn kann man ja nicht ausweichen“. Zum Glück sei ihm nie etwas Schlimmeres passiert, erzählt er. Seinen Job macht er gerne, jeden Tag neue Gesichter, das gefällt ihm. „Aber der Kontakt zu den Leuten ist über die Jahre weniger geworden, das ist schon schade“, die Fahrerkabine ist heute abgeschlossen: Sicherheitsgründe. Es muss auch alles schneller gehen, vieles übernimmt daher der Bordcomputer. Am liebsten fährt er „Mischdienst“, Bahn und Bus an einem Tag: „Abwechslung ist das A und O, das hält mich frisch“. Und wenn es mal Konflikte mit anstrengenden Fahrgästen gibt? Sillmanns Tipp für junge Kollegen und Kolleginnen: „Nicht immer gleich alles persönlich nehmen, dann geht man die nächste Fahrt viel leichter an.“
Diese Fotostrecke erschien zuerst in der Printausgabe März 2021. Hier gehts zum Abo.