Die Geschichte des Corona-Schnelltests aus Südbaden ist auch das Ergebnis mustergültiger Kooperation von universitätsnahen Instituten mit Unternehmens-gründungen im Umfeld. Im Spätsommer sollen die ersten Testgeräte auf den Markt kommen.
VON CHRISTINE WEIS
“Das Projekt ist ein beeindruckender Beweis für die Kompetenz und die Agilität der wirtschaftsnahen Forschung und innovativer Start-ups in Baden-Württemberg“, sagt die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut zum Corona-Schnelltest, über den sie sich am 16. April vor Ort in Freiburg persönlich informierte.
Das Land unterstützt das Projekt mit sechs Millionen Euro. Das Besondere an dem Test ist, dass bereits nach etwa 30 bis 40 Minuten der Nachweis einer Sars-CoV-2-Infektion vorliegen soll. Bei den gängigen Verfahren beträgt die Analysezeit rund vier Stunden. Angestrebt wird, das neue Testgerät bis Spätsommer 2020 auf den Markt zu bringen.
Grob vereinfacht funktioniert der Test so: Ein Probeabstrich aus Nase oder Rachen wird ohne Aufbereitung in eine Einwegkartusche eingesetzt und in ein handliches Analysegerät eingeführt, wo die Probe analysiert und das Ergebnis angezeigt wird. Neben der Geschwindigkeit ist die einfache Handhabung ein Pluspunkt. Da es kein manuelles Anbringen der Probe mit Pipette auf den Testträger gibt, besteht ein minimales Infektionsrisiko für den Anwender.
Der Schnelltest wurde nicht aus dem Hut gezaubert, sondern ist Ergebnis langjähriger Forschungen an der Universität Freiburg zusammen mit dem Institut Hahn-Schickard. Federführend ist dabei Roland Zengerle, seit 1999 Professor für Anwendungsentwicklung am Institut für Mikrosystemtechnik der Albert-Ludwigs-Universität und Leiter des Freiburger Hahn-Schickard-Instituts für Mikroanalysesysteme. Die baden-württembergische Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. gibt es seit 1955.
Neben Freiburg betreibt sie weitere Institute an den Standorten in Villingen- Schwenningen und Stuttgart. Ihre mehr als 240 Forscher entwickeln und realisieren Technologien für Industrie 4.0, Medizintechnik, Energie, Umwelt und Mobilität. Der Freiburger Institutsleiter Roland Zengerle gilt als bedeutende Größe auf den Gebieten Mikrofluidik, Lab-on-a-Chip und Mobile Diagnostik. Jene Felder, in denen es darum geht, komplexe Laborabläufe automatisiert auf einer Disk abzubilden.
Erste Schnelltests im Spätsommer
Der Corona-Schnelltest ist ein Produktergebnis dieser Forschungen, die Zengerle seit rund 20 Jahren betreibt. In dieser Zeit haben sich viele seiner Doktoranden und Studenten mit dem Thema beschäftigt, unter ihnen Dominique Kosse, Daniel Mark, Oliver Strohmeier, Gregor Groß-Czilwik, Frank Schwemmer und Mark Keller. Die sechs Wissenschaftler gründeten 2016 das Start-up Spindiag, ursprünglich um ein Schnelltestverfahren auf multiresistente Bakterien zu entwickeln.
Das System war bereits in der klinischen Bewertung als die Corona-Krise begann. Sehr schnell entschied das Spindiag Team, auf dem existierenden Testsystem auch einen SARS-CoV-2 Test zu etablieren, um dem hohen Bedarf an Testkapazitäten am Point-of-Care (also am Behandlungsort, zum Beispiel im Krankenhaus) nachzukommen. Am 23. März gab Spindiag Geschäftsführer Daniel Mark bekannt, dass man aufgrund der akuten Dringlichkeit der Corona Pandemie ab sofort einen SARS-CoV-2-Schnelltest etablieren wird.
Nur drei Wochen später präsentieren sie zusammen mit Roland Zengerle das Ergebnis der Wirtschaftsministerin. „Das ist für uns ein großer Moment, in dem sich die langjährige Grundlagenforschung an der Uni Freiburg und die angewandte Forschung bei Hahn-Schickard bewähren.
In den nächsten Monaten werden wir alle Kräfte mobilisieren und auf die Entwicklung der Coronatests hin bündeln, um unsere Ausgründung Spindiag auf den letzten Metern dieser langen Reise bestmöglich zu unterstützen. Wir brennen alle darauf, die Tests bald im realen Einsatz zu sehen“, so Zengerle. Mit der Erwartung sind sie nicht allein – die Testkapazitäten sind weltweit knapp und der Bedarf enorm.