In ungewöhnlichen Zeiten neue Mitarbeiter an Bord holen…
VON UDO MÖBES
Noch immer reibt man sich die Augen, wie geschmeidig Unternehmen mit Home-Office weiterhin funktionieren. Trotzdem sollten wir uns nichts vormachen, es wird nicht unendlich so weiterlaufen. Die Zusammenarbeit funktioniert vermutlich deshalb so gut, da die meisten von uns quasi noch mit einer Tankfüllung aus der gemeinsamen Präsenz-Bürozeit fahren.
Aber: Haben Sie schon neue Kollegen bekommen, die Sie bisher nur virtuell kennenlernen durften? Wie fühlt sich die Zusammenarbeit an? Wie wird sich das für die neuen Kollegen anfühlen? Erinnern Sie sich: Wie sah ihr erster Arbeitstag aus? Stand vielleicht ein Blumenstrauß auf ihrem neuen Arbeitsplatz? Vielleicht waren die Kollegen auch nur hektisch, da man verbummelt hatte, dass Sie „heute schon“ anfangen. Sie wurden von Raum zu Raum geführt und durften viele Hände schütteln.
Sooo viele Namen und Details, dass Sie nach ein paar Stunden platt waren? Habe ich gut auf die Fragen geantwortet, war ich zu frech oder war etwas peinlich? So sind erste Bilder entstanden, wie Kollegen ticken und wie sich die Zusammenarbeit anfühlen wird. Allein die Tatsache, dass Sie sich bestimmt auch noch an ein paar Details erinnern können, zeigt Ihnen, wie relevant das für Ihren Start war.
Wie sieht dieser Einstieg zu Corona-Zeiten aus?
Gibt es vielleicht ein ausgestorbenes Büro und die Kollegen nur virtuell im 15 Zoll Format? Wenn man Glück hat, zeigen die sich noch am Anfang mit der Kamera. Aber es ist nicht weniger stressig, wenn man alle Kollegen im Blick hat. Es sind fünf oder zehn neue Gesichter und das Bild ruckelt. Und wenn ich dann noch versuche, eine Reaktion auf das von mir Gesagte herauszufinden, bin ich eh überfordert und fange spätestens dann das Stottern an. Es gibt keine Stopp-Taste und keinen Zurück-Button.
Neue Normalität beim On-Boarding?
Auf dass es irgendwann vielleicht wieder einmal so sein kann wie es früher war, hoffen viele. Vermutlich ist es nicht die Top-Lösung, die neue Kollegin darauf zu vertrösten, dass sie vielleicht in drei Monaten auch mal die Kollegen treffen kann? Vorausgesetzt, dass das Infektionsgeschehen es wieder zulässt. Es dem Zufall zu überlassen, dass man sich mal treffen wird, ist auch nicht die coole Lösung. Gehen Sie daher sehr bewusst mit dem On-Boarding des Kollegen um. Widmen Sie dem Vorgang mehr Zeit, als Sie es vielleicht zu normalen Bedingungen gemacht hätten.
- Gute Vorbereitung ist die halbe Miete!
Ich nehme mir (oder zusammen mit den Kollegen) etwas Zeit, um zu überlegen: was ist wichtig, was soll bei dem neuen Kollegen ankommen oder was wollen wir von ihm erfahren? Beispielsweise: Wenn es mir in meinem Team wichtig ist, dass man auch den Menschen hinter dem Kollegen sieht, dann hilft es, wenn auch über solche Themen gesprochen werden kann. Eben nicht nur: Mein Name ist Klaus Meier, ich bin seit sieben Jahren im Unternehmen und stellvertretender Abteilungsleiter. Der Nächste bitte!
- Die lockere virtuelle Vorstellungsrunde.
Achten Sie darauf, dass nicht zuerst der neue Kollege in das unbekannte Forum stolpern muss. Es ist fair und macht es leicht, wenn der Vorgesetzte oder ein erfahrener Kollege den Anfang macht. So hat man auch die Möglichkeit, die Vorstellungsrunde in Breite und Tiefe zu prägen. Beispiel: Wenn Sie dann über Familie und Freizeit sprechen, setzen sie den Standard für die Nachfolgenden.
Die Fortgeschrittenen könnten an dieser Stelle auf spaßige Weise beschreiben, welche Funktion man aus eigener Sicht im Team hat: „Feuerwehr“, „Vertrauenslehrer“, „MacGyver“. Oder was man sich von dem neuen Kollegen oder der Kollegin erhofft. Wenn man will, kann man das mit einem Edding malen und in die Kamera halten. Dann hat man noch was zum Raten und lebt dazu vor, dass nicht jeder im Team ein Picasso ist. So kann aus einer bierernsten Übung dann eine lebendige Runde werden. Und setzen Sie alles daran, dass die Kameras an sind!
- Sich in kleinen Gruppen im Büro treffen.
Wenn aus Sicherheitsgründen zum Beispiel nur das halbe Team im Büro sein darf, kann man die Kollegen quasi schichtweise kennenlernen. Und selbst wenn es unter Berücksichtigung von Quarantänezeiten dann mit zwei Wochen Versatz geschieht, ist es immer noch besser als auf ein besseres Jahresende zu hoffen.
- Raus in die Natur: Walk & Talk.
Aus gesundheitlicher Sicht unbedenklicher als im Büro ist es sicherlich, wenn man sich unter freiem Himmel trifft. Erfahrungsgemäß kann man beim Spazieren mit bis zu vier bis fünf Leuten noch gut miteinander sprechen und arbeiten. Damit das nicht kreuz und quer geht, hilft es ebenfalls, das Gespräch etwas zu strukturieren, wie es oben beschrieben wurde. Sie werden schnell merken, dass eine Vorstellungsrunde besonders leicht in Fluss kommen wird.
Derjenige, der das Wort hat, wird sich nicht so sehr unter Stress fühlen wie in einem Besprechungsraum. Das liegt daran, dass man sich nicht immer beobachtet fühlt, sondern Blicke mal abschweifen können und es eine Gedankenpause geben darf, ohne dass diese sofort beklemmend wirkt. Durch das Gehen sind ja eh schon alle beschäftigt.
Gerade jetzt im bevorstehenden Herbst ist Walk & Talk sicherlich eine Allzweckwaffe für unterschiedlichste Gesprächsformate im Business. Wer an weiterführenden Tipps & Tricks interessiert ist, findet HIER einen Überblick.
Den Knoten durchschlagen…
Die Punkte sind als erste Anregungen zu verstehen. Sie haben es jetzt in der Hand, das für ihren Bereich passende Format zu gestalten. Wichtig: Bitte klären Sie das Vorgehen intern im Betrieb mit den Personalverantwortlichen ab, damit Sie sich im Rahmen unternehmensinterner Vorschriften bewegen. Wenn man erst einmal beginnt, seine Gedanken nicht mehr auf das, was gerade durch Corona nicht geht, sondern auf die neuen Möglichkeiten zu richten, dann setzt das viele positive Energien frei.
Das werden Sie dann auch in Ihrem Team erleben! Vielleicht lernen Sie über langjährige Kollegen noch ganz neue Seiten kennen. Für das Team ist es auf jeden Fall ein sehr schöner Anlass, wieder einmal miteinander in den persönlichen Kontakt zu kommen. Und so kommen auch wieder einmal ein paar Liter in den Tank für die weitere Zusammenarbeit. Viel Spaß beim Ausprobieren!
Udo Möbes ist selbstständiger Berater, Trainer und Business-Coach und betreibt seit 2015 mit seiner Frau Ulrike Peter das Seminarhaus „Saiger Lounge“ im Schwarzwald. Er begleitet Change-Prozesse in Unternehmen und coacht Geschäftsführer-Teams oder einzelne Führungskräfte. Für das Digital-Unternehmen Virtual Identity mit 180 Mitarbeitern in Freiburg, München und Wien war er zuvor 16 Jahre lang an der Spitze tätig, davor arbeitete er 11 Jahre für die Haufe Mediengruppe. Udo Möbes gibt an dieser Stelle regelmäßig seine Erfahrungen mit Coaching-Themen an unsere Leser weiter.
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