Die Stadt Lörrach im Dreiländereck arbeitet an ihrer zukunftsfähigen Umgestaltung. Dabei soll sich auch das Zentrum verändern. Einblicke in die Stadtentwicklung und den stationären Handel als Einkaufsmagnet in der City.
VON CHRISTINE WEIS
Lörrachs Baubürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdić hat eine klare Vorstellung davon, wie die Innenstadt der Zukunft aussieht: „Es ist ein Ort für alle Menschen mit vielfältigen Nutzungen, Funktionen mit attraktiven, nicht-kommerziellen Aufenthaltsbereichen und Grünstrukturen.“ Ein solch resilienter Stadtraum sei fähig, auf künftige Krisen und Entwicklungen wie Klimawandel, Digitalisierung oder demografischen Wandel angemessen zu reagieren. Realisieren ließe sich die Entwicklung unter anderem mit neuen innovativen Ansätzen, denen zur Erprobung Raum zur Verfügung gestellt werden müsse. Dabei könnten bereits vorhandene Strukturen entsprechend angepasst werden. Als Beispiel nennt die Dezernentin Mixed-Use-Konzepte wie die Umnutzung von Parkhausdächern, Mitbenutzung frei gewordener Einzelhandelsflächen oder die Begrünung von Brachflächen.
Maßgeblich sei die Innenstadtentwicklung durch Klimakrise und Mobilitätswandel beeinflusst. Aktuell arbeite die Stadtverwaltung deshalb an unterschiedlichen Vorhaben wie Zukunft Stadtgrün, E-Mobilität oder der Schwammstadt. Kein Schreibfehler: Unter Schwammstadt versteht man die effiziente Nutzung von Regenwasser für Baumbeete, Grünflächen und -dächer. Mit dem Stadtentwicklungskonzept (ISEK) gibt es demnächst zudem eine übergeordnete Leitlinie für anstehende Aufgaben in den nächsten 20 Jahren – mit einem Fokus auf die Innenstadt, hier soll der Handel gestärkt und Leben und Arbeiten verschränkt werden.
Marion Ziegler-Jung, Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Lörrach (WFL), sieht im ISEK ein wichtiges Instrument, um Perspektiven für Lörrach zu erarbeiten.
„Auch in Lörrach sind Veränderungen spürbar. Auch wir leben nicht auf der Insel der Glückseligen, trotz oder gerade aufgrund unserer Lage an der EU-Außengrenze zur Schweiz.”
Marion Ziegler-Jung, Geschäftsführerin WFL
Die Besonderheiten der City seien Vielfalt, Multifunktionalität und die kurzen Wege. Das Mosaik aus inhabergeführten Läden, Markenketten, Gastronomie und Kultureinrichtungen sorge für die hohe Freizeit- und Aufenthaltsqualität in der Innenstadt und damit auch für Kundenfrequenz, das müsse weiterhin gewährleistet sein.
Alle Akteure müssen ihren Beitrag zur Innenstadtentwicklung leisten
Die Pandemie hat gezeigt, dass dieses Mosaik in Gefahr ist zu bröckeln: Die Umsätze seien rückläufig, und das nicht nur, weil die Kunden aus der Schweiz aufgrund der Coronaauflagen seltener zum Shoppen über die Grenze kommen. Manche haben den Onlinehandel für sich entdeckt und ändern langfristig ihr Kaufverhalten. Auch in Lörrach haben Traditionsunternehmen ihre Verkaufsflächen reduziert. Geschäftsaufgaben sind laut Ziegler-Jung jedoch differenziert zu betrachten: „Wir hatten in den letzten Jahren keinerlei Leerstand. Die Wechsel, die sich jetzt abzeichnen, sind nicht nur auf Corona zurückzuführen. Es geht auch um Themen wie Nachfolge oder Mietpreise. Dadurch, dass Mietverträge nicht verlängert werden, kommt nun wieder etwas Bewegung in den Markt. Innovative Konzepte erhalten eine Chance, so hat Lörrach nun beispielsweise einen Unverpacktladen.“
Mögliche Ansatzpunkte sieht sie unter anderem bei den Themen Miethöhe und Leerstandsmanagement. Deshalb will die WFL jetzt gemeinsam mit dem Fachbereich Stadtentwicklung und Stadtplanung im Rahmen eines Förderprogramms des Bundes das Pilotprojekt „Neue Balance finden“ ins Leben rufen. Dies zielt darauf ab, „die Immobilieneigentürmer ins Boot zu holen und gemeinsam mit der Stadt und den Mietern neue Ideen zur Vermeidung von Leerständen, zur Belebung des Straßenzugs und zur Anpassung an den Klimawandel umzusetzen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Das Projekt wird ab nächstem Jahr in der Tumringer Straße zwischen Marktplatz und Senigallia-Platz starten. Ziegler-Jung wünsche sich eine Partnerschaft zwischen den Akteuren, die alle ein Interesse daran haben sollten, dass die Innenstadt langfristig für Besucher und die Lörracher selbst lebenswert bleibt. Nicht zuletzt sei das auch ein wichtiges Argument für die Gewinnung von Investoren.
Handel vs. Analyse
Für den Vorsitzendenden des Gewerbevereins Pro Lörrach, Hans-Werner Breuer sind die Projekte wie das ISEK zu unkonkret und langwierig.
„Wir brauchen keine weitere Analyse, sondern schnelle Maßnahmen.”
Hans-WErner Breuer, Pro Lörrach
Die Veränderung der Innenstädte vollziehe sich seit Jahren, die Politik hinke hinterher. Breuer beziffert den Rückgang der für Lörrach wichtigen Schweizer Einkaufstouristen in diesem Jahr auf etwa 30 Prozent. Auf die Frage, welche konkreten Maßnahmen erfolgen sollten, hat Breuer Vorschläge: „Die Mieten müssen angepasst werden. Lörrach braucht ein vernünftiges Verkehrskonzept mit einer guten Erreichbarkeit für alle Verkehrsteilnehmer. Zum Beispiel sollte die Spitalstraße beidseitig befahrbar sein, die Tumringerstraße weiterhin für den Fahrradverkehr freibleiben und die Parkhäuser klar beschildert werden.“
Streitpunkt Mobilität
Das Thema Mobilität sorgt für Unmut, das zeigen auch die Rückmeldungen der Bürger, die sich im Rahmen des ISEK-Dialogsommers vergangenes Jahr äußerten. Demnach werde die Innenstadt als „urbaner Kern“ besonders positiv wahrgenommen, doch die Kehrseite des „beliebten Magneten“ seien Nutzungskonflikte zwischen den Verkehrsarten Radfahren und Gehen wie auch Pkw und Bus.
Damit Lörrach als Einkaufsstadt attraktiv bleibt, sind für Breuer neue Anreize notwendig. Pro Lörrach gehe voran und gestaltet das Frühlings- und Herbstfest um. Es wird zukünftig bei den Festen keine verkaufsoffenen Sonntage mehr geben, sondern ein umfangreiches Rahmenprogramm, das verschiedene Interessengruppen anspreche. „Wir wollen Qualität bieten, damit sich die Verweildauer der Besucher verlängert“, sagt Breuer.