Wenn ein Hausrezept zur Geschäftsidee wird. Ein Freiburger Trio ist gerade dabei, eine scharfe Sauce zur Marktreife zu bringen. Und agiert dabei ein wenig wie eine Band auf dem Weg zum Durchbruch.
VON DANIEL RUDA
„Boah, diese Chilisauce.“ Am Anfang waren es solche Komplimente, die Ana Mena für ihr Rezept bekam. Sie brachte die Sauce zum Grillen mit, stellte sie auf den Tisch, wenn sie Freunde zum Essen einlud und würzte Gerichte damit. „Ich esse gerne scharf und mache diese Sauce seit über zehn Jahren“, erzählt die Freiburgerin, die in Costa Rica geboren und aufgewachsen ist. Ihr Onkel habe früher immer eine solche Sauce gemacht, die Freiburg-Variante ist quasi eine Reminiszenz an ihre Heimat.
In ihrem Freundeskreis war die Marketingmanagerin einer Firma, die Bettlaken herstellt, irgendwann bekannt für die Chilisauce, die sie über Jahre verfeinerte. Nur sechs Zutaten stecken drin. „Chilis aus Costa Rica, etwas für die Süße, was für die Säure, Knoblauch, bisschen Salz und Öl“, die Sauce wird roh gemacht und nicht wie sonst gekocht, sagt die 37-Jährige. „Es ist keine Todesstoß-Sauce, die einem den Geschmack wegbrennt“, sie gebe dem Essen eine angenehme Schärfe und ein zusätzliches Aroma. „Die musst du verkaufen“, das hörte Ana Mena immer wieder.
Auch Alexander Bleiziffer hörte sich das sagen. Auch er ist im Marketing tätig, als Selbstständiger im Bereich E-Commerce und Social Media. „Ich wollte schon immer mal was Haptisches machen“, erzählt der umtriebige Freiburger. Und so kam seit Jahresbeginn eines zum anderen, „wir haben beschlossen, wir probieren das jetzt mal aus“, kürzt Ana Mena die Gründungsgeschichte des kleinen Start-ups ab. Es ist eine spannende Story, wie eine Produktidee für den übervollen Lebensmittelmarkt entwickelt, gestaltet und vermarktet wird, wenn aus einem Unikat ein paar Tausend werden sollen.
„Es ist keine Todesstoß-Sauce, die einem den Geschmack wegbrennt“
Ana Mena, die das rezept der veganen hot sauce kreiert hat
Die beiden recherchierten, wo man in Deutschland die besonderen Chilischoten bekommt, die in keinem Supermarkt in den Auslagen zu finden sind und wurden bei einem Lieferanten fündig, der die lateinamerikanischen Sorten in Deutschland bio-zertifiziert anbaut. Ana Menas Küche wurde zum kleinen Labor. Was bisher vor allem nach Gefühl entstand, musste nun zu einem Rezept destilliert werden. „Ich stand mit Mixer und Küchenwaage da, habe Zutaten abgewogen, alles detailliert aufgeschrieben und bin irgendwann bei der richtigen Mischung gelandet“, erzählt Ana Mena.
Sie entdeckten in Trier die Manufaktur Chili Mafia, wo die Sauce künftig hergestellt wird. Seit Monaten werden Rezepte und Produktproben hin- und hergeschickt. Gerade läuft die Vorbereitung für die Premieren-Produktion, damit im Weihnachtsgeschäft die ersten Flaschen online verkauft werden können.
„Mary On A Cross“ wird die Sauce und die neue Marke heißen (angelehnt an einen Song der schwedischen Band Ghost, die melodisch-psychedelischen Metal macht). Der befreundete Grafiker Stefan Gebhard, mit dem Bleiziffer in einer Band spielt, fertigte Designideen an und komplettierte das Trio schließlich auf dem Weg zur Produktreife.
Die drei Gründer wollen sich nun eine eigene kleine Nische schaffen im Markt der scharfen Saucen. Um die sogenannten Hot Sauces herum hat sich in den vergangenen Jahren ein Wirbel um ein „Höher, schärfer, weiter“ auf der Scoville-Skala entwickelt, mit der Schärfegrade gemessen werden.
Die meisten Hot Sauces kommen in einer Glasflasche daher, aus der wegen der brutalen Schärfe oft nur wenig herausgeträufelt wird, bis sie dann tage-, wochen-, monatelang wieder im Kühlschrank verschwinden, bis zur nächste Grillsaison. Geworben wird mit Feuer und Totenköpfen, die Zielgruppe ist klar umrissen: M-ä-n-n-e-r.
Bei diesem „Abgekulte“, wie es Bleiziffer nennt, wollen die drei Freiburger nicht mitmachen. Ihre leicht orangefarbene Hot Sauce, die ohne Konservierungsstoffe auskommt, soll vor allem eine Grundzutat beim Kochen sein, beispielsweise auch, um das Schälen und Schneiden von Knoblauch zu ersparen.
„Wir glauben, dass Leute nicht nur in Lateinamerika, sondern immer mehr auch hier bei uns bereit sind, Schärfe und vielfältigere Aromen in Ihre Gerichte zu integrieren“, beschreibt es Alexander Bleiziffer. Ein Labor ermittelt gerade den Scoville-Wert. „Der wird wohl höher liegen als bei Tabasco“, so Bleiziffer. Am Ende komme es darauf an, wie man die Sauce einsetzt.
Die Flasche (100 Milliliter zum Start) ist mit einer plastikfreien Beschichtung komplett in Schwarz gestaltet, wodurch die Optik eines unappetitlich aussehenden verklebten Flaschenhalses wegfällt. Der Preis wird sich zwischen 13 und 15 Euro einpendeln, gerade laufen die letzten Kalkulationen dafür. Die Konzentration für Verkauf und Marketing liegt erst einmal komplett auf dem Online-Geschäft. Wie man digital präsentiert und vermarktet, damit kennen sich die Gründer durch ihre Hauptberufe aus.
Für ihr neues Nebenprojekt haben sie sich bewusst im Stil einer Band fotografieren lassen. Die Rolle der fiktiven Leadsängerin übernimmt Ana Mena, die auch das Testimonial gibt. Mittelfristig sollen weitere Produkte beziehungsweise Abwandlungen der Sauce folgen, auch an Kooperationen mit der Gastronomie denken die Gründer. „Wir wollen diese Marke jetzt aufbauen und schauen, was möglich ist.“
Den namensgebenden Song haben sie gemeinsam bei einem Konzert der Band Ghost in Strasbourg live gehört. Er endet mit dieser Textzeile, übersetzt: „Wenn Du mit mir davon läufst, werde ich Dich innerlich kitzeln // und ich sehe nichts, was daran schlimm ist”.
Dieser Artikel erschien in der Printausgabe von netzwerk südbaden zum November 2020. Hier geht’s zum Abo!