In Freiburg ist Moritz Milatz in den vergangenen Wochen nur noch auf Zwischenstation. Nachdem sich der Mountainbiker zum dritten Mal in seiner Karriere für die Olympischen Spiele qualifiziert hat, steht die Vorbereitung auf das Rennen in Rio im Vordergrund. Sein Pensum an der Uni hat der 34-Jährige Mikrosystemtechnik-Student reduziert und auch seine Frau und seine beiden Kinder bekommen ihn nur selten zu sehen. Nach Olympia wird das wieder anders, dann wird Milatz weniger trainieren und bei der FSM AG in Kirchzarten seine Bachelorarbeit schreiben. Nach den für ihn teilweise unbefriedigenden Ergebnissen in den Rennen in diesem Frühjahr will sich der Europameister (2012) und mehrfache deutsche Meister im Crosscountry für Olympia keine zu hohen Ziele stecken.
Im vergangenen Jahr hat Milatz zwischenzeitlich sogar darüber nachgedacht, das Fahrrad nur noch als Fortbewegungsmittel in der Freizeit zu verwenden. Die Karriere stand auf der Kippe, nachdem ihm der Schweizer Rennstall BMC Ende 2014 keinen Vertrag mehr gegeben hat, obwohl es sportlich sein erfolgreichstes Jahr war mit Podestplätzen bei Weltcup-Rennen und dem vierten Platz bei der Weltmeisterschaft. Nach einer kurzen Frustphase hat er aber wieder angegriffen, sportlich und im Studium. Nachdem er 2003/04 schon zwei Semester studiert hatte, fing er nach fast zehnjähriger Pause wieder an der Uni mit Mikrosystemtechnik an und trainierte trotzdem weiter, reduzierte allerdings den Umfang.
Vormittags an die Uni, nachmittags Training, abends teilweise bis Mitternacht lernen und zwischendrin noch um die Kinder kümmern – so sahen seine Tage in dieser Zeit aus. Sein inzwischen einjähriger Sohn ist damals auf die Welt gekommen, seine mittlerweile dreijährige Tochter verlangt ebenfalls Aufmerksamkeit. Milatz ist allerdings weniger Rennen gefahren, „nur die wichtigsten“, wie er sagt, zusammen mit einem Rennstall, von dem er aber keine finanzielle Unterstützung bekam. „Manchmal frage ich mich, wie ich das alles gemacht habe.“ Er war froh, wenn Semesterferien waren und er nur noch lernen musste. „Das Pensum wäre schon ohne Radfahren ausreichend gewesen.“
Milatz war 2015 „ganz schön ausgelaugt“ und kriegt dafür nun die Rechnung präsentiert, wie er vermutet. Die Olympiaqualifikation hat er frühzeitig geschafft, aber mit seinen Ergebnissen in diesem Frühjahr war er nicht zufrieden. Das gilt sowohl für den zweiten Platz bei der Deutschen Meisterschaft als auch für Rang 32 beim Weltcup in Lenzerheide. „Aber es geht in kleinen Schritten voran, das macht mich zuversichtlich“, sagt Milatz, „ich hätte die letzten zehn Jahre wohl etwas falsch gemacht, wenn ich mit etwa der Hälfte vom Training und nur rund zehn statt über 20 Rennen genauso gut gewesen wäre wie noch vor zwei Jahren.“
Im vergangenen Jahr musste er nur mit der Eliteförderung der Sporthilfe von 1500 Euro im Monat auskommen, seit diesem Jahr hat er wieder finanzielle Sicherheit. Das Kreidler Werksteam hat ihm einen Zwei-Jahres-Vertrag gegeben und damit ermöglicht, dass er sein Studium für die Olympia-Vorbereitung hintenan stellen kann. „Aber mein Körper braucht noch Zeit, obwohl ich im Winter wieder voll trainiert habe.“ Bis zum olympischen Rennen in Rio am 21. August, dem letzten Wettkampftag, will er „alles tun, was ich kann, um noch ein paar Prozent rauszuholen“. Dazu gehört ein zehntägiges Höhentrainingslager in Livigno mit der Olympiamannschaft („Das wird mich nochmal vorwärts bringen und dort habe ich auch Ruhe.“) und ein Weltcup in Kanada. Von dort aus geht es nach weiteren Trainingseinheiten direkt nach Brasilien. „Ich freue mich riesig. Es ist eine große Ehre und Motivation zum dritten Mal dabei zu sein.“
Dabei hat Milatz seine ersten beiden Olympia-Teilnahmen in Peking (16. Platz) und London (32.) sportlich nicht gerade in guter Erinnerung. Es lief alles gegen den Freiburger, vor allem in London, wo ihm bereits bei einem Sturz am Start der Bremshebel brach, er danach noch zwei platte Reifen hatte und nochmal stürzte. „Alles Pech, was man in zwei Jahren sammelt, kam da an einem Tag zusammen.“ Milatz war deshalb „ziemlich niedergeschlagen“, trotzdem seien die Eindrücke „großartig“ gewesen, zum Beispiel bei der Abschlussfeier. Das schönste ist und bleibe jedoch das Rennen. „Beim ersten Mal hatte ich schon beim Start Gänsehaut und das ist die ersten beiden Runden so geblieben – die Schmerzen kamen erst später.“ Für die Mountainbiker bietet das olympische Rennen schließlich die Chance auf größere Aufmerksamkeit. „Man hat das Gefühl, dass jetzt mal die ganze Welt zuguckt.“
Unabhängig davon, wie das Rennen diesmal für ihn ausgeht, weiß Milatz bereits, wie es nach Olympia für ihn weiter geht. Bei Kreidler hat er noch bis Ende 2017 einen Vertrag und ab September wird er bei der FSM AG in Kirchzarten, einem mittelständischen Elektronikhersteller, seine Bachelorarbeit schreiben. Zudem unterstützt ihn FSM als Sponsor. Diese Zusammenarbeit passt nach Ansicht von Vorstand Konrad Molz „perfekt“, weil FSM „eine dynamische Firma ist, die seit jeher für den Mountainbike-Sport fiebert und Moritz ein elektrotechnisch versierter Mountainbike-Profi ist, der zudem in der Region verwurzelt ist“. Milatz, der direkt in die Entwicklungsarbeit integriert sein wird, freut sich darauf, dass er in dem Betrieb mehr Praxisbezug haben wird als an der Uni und einen Einblick in die Wirtschaft erhält. „Ich will später auf jeden Fall einen Ingenieursberuf ergreifen.“ Zudem trifft er bei FSM auf seinen Teamkollegen und Freund Markus Bauer, der dort auch seine Bachelorarbeit geschrieben hat und nach einem Trainingsunfall und einer Hüft- und Schulteroperation als Projektleiter in Kirchzarten arbeitet.
FSM unterstützt auch den Ultra Bike Marathon in Kirchzarten seit Jahren als Sponsor und Organisator. Durch die beiden Mountainbike-Profis sieht FSM-Vorstand Andreas Schlegel seine Firma „sehr nah dran am sportlichen Geschehen, und das nicht nur auf regionaler Ebene“. Außerdem würden beide viel Fachwissen einbringen und seien als Leistungssportler strukturiertes Arbeiten gewöhnt. Das hat Milatz im vergangenen Jahr bewiesen, als er das „riesige Gesamtpaket mit Familie, Vollzeitstudium und Olympiaquali“ gestemmt hat. Wie lange er die Doppel- beziehungsweise Dreifachbelastung fortsetzen will, weiß er noch nicht. Immerhin reist die südbadische Mountainbikerin Sabine Spitz als 44-Jährige in diesem Jahr zu ihren vierten Olympischen Spielen. „So lange will ich bestimmt nicht fahren“, lacht Milatz. Spitz kam bislang jedes Mal mit einer Medaille zurück, jeweils in einer anderen Farbe. Davon kann Milatz nur träumen. „Vor zwei Jahren hätte ich noch gesagt, eine Medaille ist drin, wenn alles super läuft“, sagt der 34-Jährige. Jetzt wäre es für ihn ein Erfolg, unter die ersten zehn zu kommen. Vor allem aber will er „das Rennen genießen“.
Von Daniela Frahm