Neue Rechte – einfach links liegen lassen
Wie die Alternative für Deutschland (AfD) nach Wählern fischt
Nein, dieses Land Baden-Württemberg wird vom 13. März an nicht von der AfD regiert. Ja, bei dieser 16. Wahl zu einem baden-württembergischen Landtag werden die Wähler so entscheiden, dass das Wahlergebnis mehr Fragen offenlässt als Antworten. Wer wird mit wem regieren? CDU und Grüne liegen ziemlich gleichauf, die SPD taugt allenfalls als Juniorpartner. Die FDP hat schon vor der Wahl signalisiert, sie könne gar nicht mit den Grünen, die Schwarzen müssen das vielleicht, weil es zahlenmäßig möglicherweise keine Neuauflage der Grün-Roten Koalition geben kann. Und dann noch: Winfried Kretschmann, der aus dem Grünen-Lager kommende Regierungschef ist bei den Wählern im Ländle beliebt wie keiner sonst, der CDU Spitzenkandidat Guido Wolf ist selbst für viele Parteifreunde in der Rolle des ersten Mannes des Landes nicht vorstellbar. Ein Desaster also, aber auch das ist sicher: Die Parteien respektive deren Repräsentanten werden eine Lösung finden, weil sie eine finden müssen. Es gilt ja – erfreulicherweise – der Grundsatz, dass alle demokratischen Parteien miteinander koalieren können und notfalls müssen, auch wenn am Ende nur ein Zweckbündnis dabei herausschaut. Aber in diesem Jahr 2016 ist alles ein bisschen anders. Es liegt an einer Partei, die sich AFD – Alternative für Deutschland – nennt. Sie ist 2013 von Euro-Gegnern gegründet worden und brach schon 2015 wieder auseinander. Der Parteivorsitzende, der Makroökonomie-Professor Bernd Lucke und andere Vorstandsmitglieder verließen die Neu-Partei, die erkennbar immer weiter nach rechts driftete. Der einstige BDI Präsident Olaf Henkel, mit Lucke führender AFD-Kopf, konstatierte: „Wir haben ein Monster geschaffen.“ Jetzt ist die promovierte Chemikerin Frauke Petry Vorsitzende dieser Monster-Partei und zusammen mit der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch, geboren als Herzogin von Oldenburg, das Sprachrohr der Partei. Ein Sprachrohr, das unsägliche Verlautbarungen von sich gibt, ein Sprachrohr, das bei ganz weit rechts tickenden Menschen auch in Baden-Württemberg als einzige Alternative zu den etablierten so gennannten „Altparteien“ gilt. Die AfD-Kandidaten für die Landtagswahl im Ländle fischen in diesem trüben Wählerreservoir. Wie der Breisacher Volker Kempf, der 2014 sogar in den Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald gewählt worden ist – als AfD-Mann. In der Badischen Zeitung durfte er jetzt anlässlich der Landtagswahl auf einer Seite darlegen, wo er politisch steht – unter der bombastischen Überschrift „Für unser Land, für unsere Werte“. Es ist ein ziemliches Geschwafel und enthält zum Beispiel die Forderung nach einer Genehmigung für eine berufliche Schule in Bad Krozingen und beschreibt vieles, was er alles anpacken möchte. Zum Beispiel, dass „unsere herrliche Landschaft vor ihrer Umwandung in einen Windpark bewahrt wird und unsere Kultur vor einer Jahr um Jahr steigenden Zuwanderung.“ Man könnte das leicht als populistische Dummschwätzerei eines politischen Desperados abtun, aber das trifft esnicht. Jener Volker Kempf und viele andere aus seinem politischen Lager haben nämlich allerbeste Aussichten, im 16. Baden-Württembergischen Landtag vertreten zu sein. Die Umfragewerte signalisieren kurz vor den Wahlen einen Stimmenanteil von deutlich mehr als 10 Prozent, mehr als die Liberalen und nicht weit von der SPD entfernt. Vor 71 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende und seither hat es das Phänomen rechtsextremer Parteien immer gegeben. Wir waren ja nicht ein Volk von Widerstandskämpfern, wir waren im Wesentlichen ein Volk von Mitläufern, infiziert vom Bazillus dumpfer nationalsozialistischer Ideologie. Die Hoffnung nach diesem verheerenden Dritten Reich, dass die CDU auch rechtsaußen stehende Wähler binden könne, die SPD gleichermaßen weit links Stehende, hat sich selten erfüllt. Auch im reichen Baden-Württemberg nicht, wo insbesondere die Rechtsradikalen immer mal wieder den Sprung ins Parlament schafften. Wie 1968: da entschieden 9,8 Prozent der Wähler sich für die NPD, damals angeführt vom ehemaligen NS-Bürgermeister von Tiengen (heute Waldshut-Tiengen), Wilhelm Gutmann. Ein schlimmer Nazi, aber das focht die Wähler offenbar nicht an. Im Wahlkreis Lörrach gab es sogar ein Spitzenergebnis für diese rechtsradikale Partei, 11,1 Prozent, in Offenburg waren es 10,8 Prozent. Der Spuk, auch das ist Fakt, war schnell vorbei. Schon bei der nächsten Wahl scheiterte die NPD krachend, ihre Arbeit im Landtag hatte offengelegt, dass dumpfe nationalistische Denke nicht ausreicht, um Politik zu betreiben. Aber das rechte Lager ging nicht unter. Eine neue Partei, die Republikaner, formierte sich zur Landtagswahl 1992. Die Republikaner gerierten sich etwas bürgerlicher als die NPD, aber die altbraune Soße war die Gleiche. Und der Wahlerfolg umso sensationeller: Mit dem Arzt und Rechtsanwalt Dr. Rolf Schlierer an der Spitze sammelten die Republikaner 10,9 Prozent der Stimmen ein, deutlich mehr als die FDP (5.9 Prozent) oder die Grünen (9,5 Prozent). 1996 gelang ihnen erneut der Sprung in den Landtag, etwas schwächer zwar, aber immerhin. Dann war der Spuk erneut vorbei. Seit der Jahrtausendwende hat es keine rechtsradikale Partei mehr geschafft, einen Sitz im baden-württembergischen Landtag zu ergattern. Und nun 2016? Da sind wir wieder da, wo wir zuletzt bei der Landtagswahl 1996 standen. Die Parolen der Rechtspopulisten verfangen wieder, die AFD wird wohl Fraktionsstärke im Landtag erreichen. Es sind ja keine stiernackigen Skins, die diese Partei ausmachen, es sind Leute aus dem vermeintlichen bürgerlichen Lager. Sie machen das, was Rechtsradikale schon immer gemacht haben. Sie mobilisieren Ängste, vor Flüchtlingen, vor Überfremdung, notfalls auch vor einem Windpark. Ihre Antworten sind simpel, sie sind oft kongruent mit der Stimmungslage eines Volkes, an dessen Spitze eine Kanzlerin steht, die zur nüchternen Realpolitik neigt und die aufgeregten Stimmungsmachern nicht nach dem Mund redet. Die AfD ist eine brandgefährliche Partei, weil ihre Repräsentanten den Menschen vorgaukeln, es gebe ganz einfache Antworten auf schwierige Fragen. In der Europastadt Breisach hat der Gemeinderat einstimmig bei 3 Enthaltungen erklärt, in dem Städtchen sei die AFD-Vorsitzende Frauke Petry eine „unerwünschte Person“ (Persona non grata). Der Begriff kommt aus der Diplomatensprache, es geht in der Regel darum, beispielsweise spionierende Botschaftsangehörige schnell ausweisen zu können. So gesehen, war die Wortwahl schon ein bisschen daneben, weil natürlich unerwünschte Personen nicht von einem Gemeinderat daran gehindert werden können, ihre unerwünschte Meinung zu sagen. Frauke Petry wird das nun am 12. März tun – das ist der Termin eines angeblichen Wahlkampfauftritts in Breisach – oder nicht. Willkommen wird sie in dieser Stadt nicht geheißen und das ist gut so. In der Politik muss bestritten werden, hoffentlich, aber die AfD brauchen wir, braucht Baden-Württemberg so wenig wie wir die NPD und die Republikaner gebraucht haben. Das sollte man der AfD am 13. März an der Wahlurne deutlich machen.
Jörg Hemmerich