Menschen sind mobil, Güter noch mobiler. Das Transportaufkommen in Baden-Württemberg legt bis 2030 voraussichtlich um fast ein Viertel zu. Wie kann der Güterverkehr dennoch klimafreundlich werden?
Text: Kathrin Ermert • Fotos: Alex Dietrich
Wir sehen es auf den Autobahnen: Lkw dominieren den Güterverkehr. Laut Umweltbundesamt finden fast drei Viertel des Gütertransports in Deutschland auf der Straße statt. Der Anteil des Schienenverkehrs pendelt zwischen 18 und 20 Prozent, jener der Binnenschifffahrt sank sogar auf zuletzt nur noch 6,6 Prozent. Die Landesregierung will „den Verkehrsträger Schiene und die Binnenschifffahrt fördern sowie den Straßengüterverkehr nachhaltiger gestalten“, heißt es im baden-württembergischen Güterverkehrskonzept aus dem Jahr 2020. Die Ergebnisse seither sind allerdings überschaubar – auch weil das Land allein wenig ausrichten kann. Es hat zwei „Kümmerer für den Schienengüterverkehr“ eingestellt, berichtet Edgar Neumann, Pressesprecher des baden-württembergischen Verkehrsministeriums. Sie sollen Unternehmen und Kommunen beraten, welche Güter und Mengen sich zur Verlagerung auf die Schiene eignen. Außerdem gibt es landeseigene Fördertöpfe für nachhaltigen Güterverkehr, und man prüft die Einführung einer Lkw-Maut auf Landesebene. Neumann verweist für das Gelingen der Transportwende aber auf „das nötige Engagement von anderen Akteuren“: Der Bund trage die Verantwortung für eine attraktive Infrastruktur, Kommunen müssten für Güterumschlag offen sein und Unternehmen ihre Lieferketten nachhaltiger gestalten.
E-Laster und die Netzkapazität
Wie eine Antriebswende im Straßengüterverkehr aussehen kann, zeigt Dachser. Seit 2018 beliefert der Logistikdienstleister Kunden in der Freiburger Innenstadt emissionsfrei. Dafür sind drei E-Lastenräder mit Anhängern vom Mikrohub am Güterbahnhof aus in der Stadt unterwegs. 2019 ist der Freiburger Dachser-Standort in den Gewerbepark Breisgau umgezogen und hat den ersten batterieelektrischen Lkw angeschafft. Mittlerweile sind neun E-Laster in einem Radius von 70 bis 80 Kilometern unterwegs, vom 7,5- bis zum 40-Tonner. Im Lauf des Jahres steigt die Zahl auf elf, Ende 2025 sollen es fünfzehn E-Laster sein, die dann auch weitere Distanzen meistern können, berichtet Niederlassungsleiter Michael Gaudlitz. Die neu bestellten 40-Tonner versprechen Reichweiten bis zu 500 Kilometern. Diese wird Dachser wohl komplett selbst finanzieren müssen. Bislang kompensierten Fördergelder maximal 80 Prozent der Mehrkosten. E-Laster kosten etwa doppelt so viel wie konventionelle Lkw.
Mit jährlich mehr als 80 Millionen Sendungen und rund 30.000 Mitarbeitenden an etwa 380 Standorten weltweit ist Dachser eines der größten Transportunternehmen Deutschlands. Dennoch ist der Konzern nach wie vor in Familienbesitz, was vielleicht dieses in der Branche ungewöhnliche Engagement für den Klimaschutz erklärt. Dachser Freiburg ist einer von drei E-Mobility-Standorten, an denen der Logistiker den Einsatz von Null-Emissionstechnologien sowie intelligentes Strom- und Lastmanagement erprobt. „Wir haben den Auftrag, Fahrzeuge und Infrastruktur zu testen und für das gesamte Netzwerk zu erforschen“, sagt Gaudlitz. Man wolle die technischen Möglichkeiten ausreizen und die Dienstleistungen immer klimafreundlicher gestalten, ergänzt Andre Kranke, der am Dachser-Hauptsitz in Kempten die Abteilung Corporate Research and Development leitet.
„Wir haben den Auftrag, Fahrzeuge und Infrastruktur zu testen und für das gesamte Netzwerk zu erforschen.“
Michael Gaudlitz, Dachser Freiburg
Die Branche sei energieintensiv und hinterlasse derzeit noch einen deutlichen CO2-Fußabdruck. Den Emissionshandel sieht Andre Kranke als keine tragfähige Lösung: „Das bringt weder den Klimaschutz noch energie- und emissionsintensive Unternehmen weiter.“ Es komme auf die tatsächliche Vermeidung und Reduzierung von Emissionen an. Dass Dachser dabei auf Elektromobilität setzt, liegt schlicht am Angebot, erklärt Michael Gaudlitz. Wasserstoff war bislang kein Thema, weil es weder ausreichend Fahrzeuge noch Ladeinfrastruktur gibt. Voraussichtlich Anfang 2026 bekommt Dachser Freiburg aber einen wasserstoffbetriebenen Lkw. Bis dahin soll die Tankstelle Hartheim-Heitersheim eine Zapfsäule haben.
Für den wachsenden elektrischen Fuhrpark muss die Infrastruktur am Standort ausgebaut werden. Derzeit gibt es zwei Schnellladesäulen und zwei Wallboxen, an denen die E-Laster über Nacht laden können, zudem mehrere Ladepunkte für Pkw. Mit den zusätzlichen E-Lastern soll auch die Zahl der Lademöglichkeiten steigen. Und es ist ein Stromspeicher geplant, um die Lastspitzen reduzieren zu können. Außerdem braucht Dachser Freiburg eine größere Netzanschlussleistung – rund 2500 Kilowatt (kW) ab kommendem Jahr. Die neue PV-Anlage auf dem Dach des Transitterminals kann den Zusatzbedarf bei Weitem nicht decken. Der Logistiker ist deshalb in Kontakt mit dem Energieversorger Badenova. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Strommenge als um die Übertragungsleistung der Netze. Die Erhöhung der Anschlussleistung auf 2.500 kW sei noch drin, danach müsse genau gerechnet werden, sagt Jürgen Singler von Badenova-Netze: „Leistungserhöhungen in dieser Größenordnung sind eine echte Herausforderung für die Stromnetze.“ Der Bedarf einer Lkw-Ladeinfrastruktur mit Leistungen von mehreren 100 kW pro Ladesäule könne die Stromversorgung an ihre Belastungsgrenze bringen. Es laufen Pläne, um die Stromnetze zu ertüchtigen. Dafür braucht es größere Umspannwerke und leistungsstärkere Netze. Mindestens fünf, eher zehn Jahre dauert es, schätzt Singler, das Netz für ein „all electric“-Szenario auszubauen.
Konjunkturflaute auch im Hafen
Dagegen sind die Flüsse schon vorhanden. Die Verlagerung von Transporten aufs Wasser definiert das Land in seinem Güterverkehrskonzept als ein Schlüsselthema für nachhaltigen Güterverkehr. „Die Häfen in Baden-Württemberg sind wichtige Zentren für den trimodalen Güterumschlag“, sagt Pressesprecher Neumann. Tatsächlich geht der Gütertransport auf dem Wasser aber zurück. „In den letzten zwei Jahren haben wir viel verloren“, sagt Volker Molz, Direktor des Hafens Kehl. Der sogenannte wasserseitige Umschlag, also die Menge an Gütern, die in Kehl vom oder aufs Schiff verladen wurden, ist seit 2021 um mehr als 40 Prozent gesunken, von 4,7 auf 2,7 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr. Warum dieser starke Rückgang? Zum einen war 2021 ein besonders gutes Jahr für den Hafen, erklärt Molz. Einzig das Hochwasser verhinderte Rekordwerte. Zum anderen hätten sich die Pandemie und vor allem der Ukrainekrieg negativ auf den Kehler Hafen ausgewirkt. „Wir sind ein Industriehafen“, betont Molz. Es kommen Rohstoffe rein, und fertige Produkte gehen raus. Eine schwache Nachfrage trifft den Hafen also doppelt.
„Wir sind ein Industriehafen. Eine schwache Nachfrage trifft den Hafen also doppelt.“
Volker Molz, Hafendirektor Kehl
Etwa zwei Drittel des Umschlags im Kehler Hafen sind Eisenschrott beziehungsweise der Stab- und Formstahl, den die Badischen Stahlwerke (BSW) daraus gewinnen, zudem Zusatzstoffe wie Kohle und Mineralien, die dafür benötigt werden. Dieser hohe Anteil erklärt das große Minus. Denn die Baukrise hat die BSW stark getroffen, wie Netzwerk Südbaden vor wenigen Monaten berichtet hat. Auch der Papierhersteller Koehler, der in seinem Werk im Kehler Hafen unter anderem Versandetiketten produziert, spürte die konjunkturelle Flaute und musste spüren, wie ein ortsnaher Versandriese schwächelte. 110 Unternehmen mit insgesamt 4800 Mitarbeitenden haben ihren Sitz im Hafen Kehl. Außer Industriebetrieben wie dem Tunnelbohrmaschinenbauer Herrenknecht, dem Wohnmobilhersteller Bürstner, dem Pipelineproduzenten RMA oder dem Futterwerk der Raiffeisen-Genossenschaft sind das viele Logistikunternehmen, auch Hotels und Restaurants. Die Hafenverwaltung selbst beschäftigt 70 Menschen, davon 32 im eigenem Umschlagbetrieb.
Kehl ist – gemessen am wasserseitigen Umschlag – der siebtgrößte deutsche Binnenhafen (nach Duisburg, Neuss/Köln/Düsseldorf, Hamburg, Karlsruhe, Mannheim und Ludwigshafen) sowie die Nummer drei in Baden-Württemberg. „Spätestens in vier Jahren sind wir die Nummer eins im Land – ohne unser Zutun“, sagt Molz. Denn mit dem Ausstieg aus den Kohlekraftwerken verlieren die Häfen Karlsruhe und Mannheim einen bedeutenden Teil ihres Güterumschlags.
Dieser Rückgang von Transporten auf dem Wasser ist also kein Verlust für den Klimaschutz. Aber wie steht es generell um die Nachhaltigkeit im Hafen? Die Schiffe fahren mit Diesel, die Krananlage ist elektrisch betrieben, die anderen Geräte nutzen sogenanntes GTL-Fuel, ein auf Basis von Erdgas gewonnener alternativer synthetischer Dieselkraftstoff, der weniger Feinstaub emittiert. „Wir brauchen alle Energieträger, um die Transformation zu bewerkstelligen“, sagt Molz. Eine große Schraube für klimafreundliche Energieversorgung sei das europäische Wasserstoffnetz, an das der Hafen in einigen Jahren angeschlossen werden soll. Bis dahin setzt Molz auf eine „Strategie der kleinen Schritte“. Der Hafendirektor denkt über Flächen für PV-Anlagen ebenso nach wie über eine eigene Wasserstofferzeugung oder einen Landeplatz für Drohnen.
Laborproben per Drohne
Auf Drohnen setzt auch der Klinikverbund Helios – muss aber feststellen, dass dieses Transportmittel mit Schwierigkeiten verbunden ist. Eigentlich sollten unbemannte Flugzeuge seit vergangenem August Laborproben zwischen den Kliniken in Breisach und Müllheim hin- und herfliegen. Das Regierungspräsidium hatte die erforderliche Genehmigung erteilt, Helios einen ausgebildeten Fernpiloten eingestellt, der die Drohnen ohne direkten Sichtkontakt steuern darf. Weitere Flugstrecken in Deutschland sollten folgen. Doch bislang fliegen keine Drohnen. „Wir hatten Diskussionen mit unterschiedlichen Interessensgruppen und anderen Luftraumnutzern. Im Ergebnis erfolgt derzeit die Anpassung der ursprünglich vorgesehenen und genehmigten Flugroute“, berichtet Helios Pressesprecherin Birgit Gugath. Man arbeite zudem an der Verbesserung der Prozesse für einen wirtschaftlich durchführbaren Flugbetrieb und entwickele Kommunikationsverfahren, mit denen sich alle am Flugbetrieb Beteiligten über den Flugstatus informieren können. „Diese ganzen Arbeiten sind zeitlich aufwendiger als geplant“, sagt Gugath. Deshalb sei nicht klar, ab wann die Drohnen fliegen.
Ärgerlich für Helios, für die Transportwende aber zu verschmerzen. Die Drohnen können bis zu drei Kilo transportieren. Das gesamte Transportaufkommen in Deutschland liegt bei gut 4,5 Milliarden Tonnen.