Die Wanderausstellung „70 Jahre Kunst am Bau“ macht ab dem 20. Mai Station in Freiburg im Innenhof des Herderbaus. Gezeigt werden Werke aus beiden deutschen Staaten, umrahmt von Veranstaltungen. Ziel ist es, Interesse für die oft unbekannte Kunst zu wecken.
VON CHRISTINE WEIS
Der überdimensionierte Rettungsring „Freischwimmer“ umschließt den Verbindungssteg zwischen dem Freiburger Notfallzentrum und der Medizinischen Klinik. Die bildhauerische Arbeit des Münchners Gregor Passens steht dort in der Uniklinik keinesfalls im Rampenlicht – ganz im Gegenteil zur Stahlskulptur „Berlin“ des Spaniers Eduado Chillida vor dem Bundeskanzler-amt, die nahezu täglich in den Medien zu sehen ist.
Dennoch eint beide die Tatsache, dass sie Kunst-am-Bau-Werke sind. Das heißt, der Bau ist ein staatlicher und der Bund finanziert die Kunst dazu. Diese Art der Kunst- und Künstlerförderung besteht seit der Weimarer Republik. Zwischen 0,5 und 1,5 Prozent der Baukosten für Ämter, Gerichte, Forschungs- und Verwaltungsinstitute, Ministerien oder militärische Einrichtungen kann aktuell für Kunst ausgegeben werden.
So wie dem „Freischwimmer“ ergeht es vielen der bundesweit rund 10.000 Skulpturen, Installationen, Mosaiken oder Malereien, die sich an, bei oder in öffentlichen Gebäuden befinden. Sie werden wenig beachtet, sind kaum bekannt oder unzugänglich für die Bevölkerung, wie etwa die 36 Meter lange abstrakte Malerei an der Foyerwand im Bundesumweltministerium von Katharina Grosse.
70 Jahre Kunst am Bau
Die Ausstellung „70 Jahre Kunst am Bau“ will das ändern, indem sie Aufmerksamkeit für die Kunstwerke schafft, das ist zumindest die Intention des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR), das die Schau konzipiert hat. Die 59 aus-gewählten Arbeiten geben einen repräsentativen Überblick über Qualität und Vielfalt der Kunst.
Das Spektrum reicht von dem Auftragswerk Max Lingners von politisch engagierten Menschengruppen am ehemaligen Haus der Ministerien der DDR in Berlin aus den 1950er Jahren über Gerlinde Becks „Lichtfuge“ an der Wilhelmsburg-Kaserne in Ulm bis zu den Wasser-Licht-Stelen von Günter Ferdinand Ris in der Deutschen Botschaft in Brasilien. Dokumentiert wird zudem die Entstehung von Kunst am Bau vom Wettbewerb bis zur Fertigstellung sowie deren Pflege, Unterhalt und Verlust.
Seit letztem Jahr tourt die Ausstellung durch die Lande. Nach München, Chemnitz, Rostock, Halle, Gelsenkirchen und Nürnberg wird sie vom 20. Mai bis 21. Juni im Herderbau (Eingang Tennenbacher Straße) in Freiburg gastieren und danach in weitere fünf Städte reisen.
Der Freiburger Archäologe Martin Flashar hat die Ausstellung in den Breisgau geholt und die wesentlichen Akteure zu dem Thema vor Ort zu einem Veranstalterboard vernetzt: Architektenkammer Baden-Württemberg Gruppe Freiburg, Architekturforum Freiburg, Berufsverband Bildender Künstler Südbaden, Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen (GEDOK), Institut für bildende Künste der Pädagogischen Hochschule sowie das Landesamt Vermögen und Bau.
Kunstobjekte sichtbar machen
Sie bestreiten das Begleitprogramm mit Führungen, Diskussionen und Vorträgen – die Details sind noch in Arbeit. Mit dem Augenmerk auf die Kunst am Bau im Rahmen der Ausstellung will Flashar auch auf die Probleme derselben aufmerksam machen.
„Wir haben in der Stadt zahlreiche Arbeiten auch von international renommierten Künstlern. Was allerdings fehlt, ist die Kunstvermittlung“, sagt Flashar, „die Objekte werden nicht erklärt, es gibt weder eine Übersicht aller Arbeiten noch eine informierende Homepage oder Guided-Tours, nicht einmal durchgängig Beschriftungen.”
Hier sieht er sowohl Stadt als auch das Land in der Pflicht, denn sie seien nicht nur für die Anschaffung, sondern auch für die Vermittlung und Pflege der Kunstobjekte verantwortlich. Flashar bespielt sechs Wände der Ausstellung mit Projekten aus Freiburg. Zu sehen sind u.a. „Jump and Twist“ von Dennis Oppenheim (Campus Technische Fakultät), „Reclining Figure“ von Henry Moore (Platz der Alten Synagoge, aktuell im Innenhof KG III), das „Freiburger Bild“ von Ernst Wilhelm Nay (Chemisches Institut, Albertstraße) oder der „Obelisk“ von Ulrich Rückriem auf dem Augustinerplatz.
Vom Herderbau aus, wo die Ausstellung in dem nördlichen Innenhof mit dem beeindruckenden transparenten Kuppeldach stattfindet, können die Besucher fußläufig in zwei Minuten ein Original betrachten, das ein eher unbeachtetes Dasein fristet, aber aktueller denn je ist: Die Skulptur „Metamorphose“ von Rainer Stiefvater vor dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt in der Stefan-Meier-Straße zeigt symbolisch den Übergang vom Bürger zum Soldaten.
Kunstwerke werfen Fragen auf, animieren zum Nachdenken, setzen Statements – die Interpretation ist dem Betrachter überlassen, aber erst-mal muss er das Kunstwerk finden, ein Freiburg-Plan zur Kunst im öffentlichen Raum ist längst überfällig.
Informationen zur Ausstellung und dem Begleitprogramm gibt es unter www.kunstambau-freiburg.de. Zur Ausstellung ist auch ein Katalog (45 Euro, Deutscher Kunstverlag) erschienen, beziehbar über den lokalen Buchhandel.