Hochlandrinder, Ferienwohnungen und Hofladen – wie die Generationen am Steiertbartlehof in Oberried heute wirtschaften und damit ein Beispiel für viele südbadische Bauernhöfe sind.
Der Melkstand funktioniert auch nach über 40 Jahren noch einwandfrei. Warum also neu investieren? Bei der Melkstation sind Vater und Sohn eingespielt. Sie kennen jede Kuh, wissen, wer Zicken macht und bei wem auch der Laie mal Hand ans Euter legen darf. Eine Stunde und 32 Milchkühe später ist das morgendliche Ritual geschafft. August Riesterer hatte einst mit zehn „Viechern“ angefangen. „Damals hieß es schon wachsen oder weichen“ sagt sein Sohn. Mehr Kühe sollen es nicht werden. Denn von Massentierhaltung hält der 50-Jährige nicht viel und wie lange der Hof überhaupt noch Milchkühe halten wird, das stehe in den Sternen.
Derzeit kommt alle zwei Tage der Schwarzwaldmilch- Lastwagen und holt rund 900 Liter Milch ab. Dass einige Kollegen in unmittelbarer Umgebung von der Insolvenz der Milcherzeugergenossenschaft (MEG) Ortenau betroffen sind, dafür hat Riesterer nur ein Achselzucken übrig. „Daran sind sie selber schuld. Das hat unsere Genossenschaft von der Schwarzwaldmilch damals viel Geld gekostet, als die wegen der besseren Preisaussichten gewechselt haben.“ Nun bekommen „die“ aktuell gerade einmal 10 Cent für den Liter Milch, die später auf dem Dumpingmarkt angeboten wird. Michael Riesterer erhält immerhin 35 Cent. Treue zahlt sich aus. Trotzdem sind Milchgeschäft und Landwirtschaft nur noch der zweitstärkste Erwerbszweig der Familie Riesterer.
Bäuerin war eigentlich immer ihr Traumberuf. Sie selbst stammt aus einer Winzerfamilie in St. Georgen. Mit 21 haben sie und Michael geheiratet, darauf folgten die vier Töchter, die Älteste ist 27. Der Traum von einem Leben ausschließlich als Bäuerin ist für sie inzwischen ausgeträumt, doch Gabi Riesterer hat sich neue gesucht. Gerne möchte sie das auf dem Hof liegende Brennrecht nutzen und gemeinsam mit ihren Töchtern die alte Mühle auf dem Gelände wieder zu neuem Leben erwecken. „Ein Backhäusle mit Schaubacken und einer Brennerei, davon träume ich“, sagt sie und lächelt.
Beim freitäglichen Backen ist das ebenfalls gefragt. In der hauseigenen Backstube sucht man vergeblich nach großen Teigknetmaschinen und weiteren Vollautomaten. Stattdessen holen sich Gabi und Michael Riesterer Unterstützung von den Töchtern. Drei von ihnen leben auf dem Hof, eine ist nebenberuflich am Hof angestellt: Die Hauptaufgaben der 24-jährigen Anna-Lena sind die Arbeiten in der Hofbäckerei und die Pferde. Sie kamen vor gut 10 Jahren zu den Milchkühen dazu. „Die Tiere sind vor allem für unsere Hofgäste interessant. Zur Ferienzeit bieten unsere Töchter Ponyreiten an. Versorgt werden müssen die Pferde aber trotzdem das ganze Jahr“, sagt Gabi Riesterer. Auch Hasen, zwei Schweine, Hühner und einige Katzen umrahmen den bilderbuchreifen Bauernhof. Dass dahinter vor allem harte Arbeit und viel Verzicht stehen, bleibt den Gästen verborgen und das soll auch so sein.
Mit der verborgenen harten Arbeit geht es für das Ehepaar Riesterer gleich nach dem Frühstück weiter. Die Kühe müssen mit frischem Futter versorgt werden, anschließend geht es für den Landwirt mit dem Radlader zum zweiten Hof der Familie. Vor sieben Jahren haben sie den nur wenige hundert Meter entfernten Küchlehof gepachtet. Neben zwei großen Ferienwohnungen stehen hier Highland Cattle Rinder und einige Pensionspferde. „Die Hochlandrinder haben wir uns für den Fleischverkauf angeschafft“, sagt Michael Riesterer während er mit dem Lader bis vor die Weide der Mutterkühe fährt. Für sie hat er altes Brot im Gepäck. Bald stehen alle sechs am Zaun und schmatzen. Der Landwirt schätzt die Robustheit und Einfachheit der Tiere. „Die können das ganze Jahr auf der Weide stehen.“ Wenig Arbeit, ein zufriedenstellender Ertrag, das freut den Landwirt.
Das Fleisch der Hochrinder verkauft er auf Bestellung. Geschlachtet werden sie bei Schmidts Wurstlädele in Wittnau-Biezighofen im Hexental. Zurück auf dem Hof wird das Fleisch portionsweise verpackt, vakuumiert und von den Bestellern abgeholt. Ein weiteres Zubrot, weitere Arbeit. Neben der Wirtschaftlichkeit achtet Michael Riesterer vor allem auf die Nachhaltigkeit seines Betriebes – sowohl beim Bewirtschaften der über 60 Hektar Acker- und Grünländer, als auch bei der Energieversorgung des Hofes. Auf dem Scheunendach sitzt eine stattliche Solaranlage – zugegeben, die findet man heute beinahe auf jedem zweiten Schwarzwaldhof – aber auch geheizt wird bei Familie Riesterer mit einer Hackschnitzelheizung und selbst der mobile Hühnerwagen hat seine eigene Solaranlage. Gedüngt werden die landwirtschaftlichen Flächen, neben Gülle ausschließlich mit Kalk und Mineraldünger. Gepflanzt wird, wie es dem Boden gut tut. „Das freut auch die kleinen Tiere im Boden, die für uns wichtige Arbeit leisten“, sagt Michael Riesterer und deutet auf sein Feld, auf dem zuletzt Senf gewachsen ist und nun im Frühjahr der Mais gesät wird.
Riesterer nennt weitere Beispiele, deren Sinnhaftigkeit sich für ihn nicht ganz erschließt. Wenn er beispielsweise die größeren Kälber seiner Hochlandrinder vom Küchlehof, der zur Gemeinde Kirchzarten zählt, auf die nur wenige hundert Meter entfernte Wiese am Steiertbartlehof stellen möchte, der wiederum zur Gemeinde Oberried zählt, müsse er seine Tiere tatsächlich ummelden. Nur den Weg aufs Amt spart er sich. „Das kann man, Gott sei Dank, online machen“, sagt der Landwirt, „doch es ist ein unnötiger Zeitaufwand.“ Ein anderes Beispiel: Michael Riesterer wollte den Küchlehof zu einem Biobetrieb machen. Durfte er nicht, da er Betriebsleiter von zwei Höfen ist und er nicht einen konventionellen und einen Bio-Hof führen darf. Das Futter könnte sich vermischen. Zu gefährlich.
Bei so vielen bürokratischen Belangen ist es längst Normalität für die Bauern, nach getaner harter, körperlicher Arbeit auch noch einige Stunden im Büro Ordner und Papierberge zu wälzen. Immerhin behält Michael Riesterer bei alledem ein Lächeln auf dem Gesicht. Er nimmt es, wie es kommt. Auch bei der Frage um die Hofnachfolge bleiben er und seine Frau locker. Ob eine ihrer Töchter den Betrieb später übernehmen wolle? „Das steht noch offen. Uns war es wichtig, dass jede erst einmal einen eigenen Beruf erlernt. Die nächsten 15 Jahre werden meine Frau und ich den Hof noch machen, was danach kommt, wird sich zeigen.“ Ob sich die Milchkuhhaltung auf dem Steiertbartlehof weiter fortsetzen wird, bliebe auch für sie ungewiss. Solange diese Frage nicht geklärt sei, möchte Michael Riesterer auch in keinen neuen Melkstand investieren. Der alte tut’s ja noch.
Von Anna-Lena Gröner
Bauernhof: Harte Arbeit am Idyll
